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Schluss mit der Bezirksverwaltung auf Schloss Blankenburg

Auf Einladung des letzten obersimmentaler Regierungsstatthalters Erwin Walker nahmen am vergangenen Samstag ehemalige und aktive Grossräte, Gemeinde- und GemeinderatspräsidentInnen, Amtsgerichtsmitglieder, Polizeichefs, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Abschied von der Bezirksverwaltung im Schloss Blankenburg. Regierungsrat und Justizdirektor Christoph Neuhaus wurde – in schwarzer Trauerkleidung mit rotem Henkershemd – Zeuge einer feierlichen und würdigen «Trauerfeier».

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Schluss mit der Bezirksverwaltung auf Schloss Blankenburg

Justizdirektor Christoph Neuhaus mit den letzten drei Regierungsvertretern auf Schloss Blankenburg, «Oberamtmann» Erwin Walker, «Kastlan» Martin Krebs und «Tschachtlan» Hans-Ueli Gammeter.

Ununterbrochen seit dem 24. August 1386 hatten auf Schloss Blankenburg Kastlane, Tschachtlane, Oberamtmänner und Regierungsstatthalter als Bindeglieder zwischen der Bevölkerung und der Kantonsregierung gewirkt. Vier Jahre nach der Annahme der Verfassungsänderung über die Reform der dezentralen kantonalen Verwaltung am 24. September 2006 – das Obersimmental hatte damals mit 86,1 % Nein gestimmt – heisst es auf Schloss Blankenburg: «Lichter löschen!» Eine 623-jährige Epoche ist zu Ende.

Roland Neuhaus (Cembalo) und Matthias Stocker (Querflöte) begleiteten die Abschiedsfeier mit passenden Sonaten (in Moll…). Auch für Gastgeber Erwin Walker – zum Abschied in der Kleidung eines Oberamtmannes – war die Feier ein höchst emotionaler Akt. Im Entree seines nach dem Brand vom 9. Dezember 1767 im Stil eines bernischen Campagne-Herrschaftsbaus neu erbauten Amtssitzes führte er durch die Schlusszeremonie. Er gab der Hoffnung Ausdruck, dass der Abschied nur für die Verwaltung Gültigkeit habe und dass sich für den Erhalt von Schloss Blankenburg doch noch sinnvolle (öffentliche) Möglichkeiten ergeben.

Regierungssitz, Gefängnis und Verbandsstofflager

Mit «hochwohlgeborener, wohlerwürdiger, gelehrter, wohlweiser und vorsichtiger Herr der hohen Regierung zu Bern und ergebener, gottesfürchtiger und erhabener Diener des Volkes der Republik und des Standes Bern, begrüsste Alt-Regierungstatthalter Martin Krebs den Regierungsvertreter Christoph Neuhaus und mit «verehrter, viel- und hochgeachteter Herr Kastlan des Amtes Obersibenthal» seinen indirekten Nachfolger. Der Vor-Vorgänger von Erwin Walker liess die eindrückliche Geschichte des Schlosses von der bernischen Eroberung im Jahr 1386 bis in die Gegenwart Revue passieren. Bis 1984 wurden in den Gefängniszellen von Blankenburg auch Straftäter einquartiert. Nationale Bekanntheit erlangte Blankenburg 1919 durch den prominenten Häftling Robert Grimm, (dem marxistisch orientierten SP-Aktivisten und späteren Nationalratspräsidenten) der im Obersimmental «von günstigen Haftbedingungen» profitieren durfte. Anstelle einzelner Gefängniszellen wurden ab 1970 Verbandsstoffe gelagert.

Zum Abschied ein Buch

Martin Krebs hatte zusammen mit seinem Nachfolger, Gerichtspräsident Hans-Ueli Gammeter und mit dem ehemaligen Schloss-Lehrling und profunden Geschichtskenner Robert Wampfler eine sehr eindrückliche Festschrift geschaffen, die eben im Verlag «Kopp Druck+Grafik Zweisimmen» erschienen ist. Auf gegen 70 Seiten findet man viel Interessantes aus mehr als sechs Jahrhunderten. Das Buch kann gegen einen Unkostenbeitrag auf den Gemeindeverwaltungen im Obersimmental bezogen werden.

Fehlender Schulterschluss

Wie es an Beerdigungen üblich ist, traf sich die Trauergemeinde im Anschluss zur «Grebt» in dem mit einer ganzen Reihe von Schloss-Bildern geschmückten Restaurant «Hüsi». Regierungsrat Christoph Neuhaus bedauerte während seiner Grussadresse die Entwicklung. Als Justizdirektor hat er umzusetzen, was das Berner Volk 2006 beschlossen hatte. Als damaliger SVP-Kantonalsekretär hatte auch er die Reform aktiv bekämpft. Gemeinderatspräsidentin Anne Speiser gab ihrem Bedauern auch im Namen ihrer Obersimmentaler Kollegen Ausdruck. Sie zitierte die 1941 verstorbene deutsche Schriftstellerin Euphemia von Adlersfeld: «Ein Abschied verleitet immer dazu, etwas zu sagen, was man sonst nicht ausgesprochen hätte.» Ernüchtert machte sie die Feststellung, dass man im Obersimmental sowohl bezüglich des Standorts der Bezirksverwaltung als auch bei der Wahl des künftigen Regierungsstatthalters schmerzliche Niederlagen einkassieren musste. «Zur Verhütung von weiterem Ungemach braucht es Schulterschlüsse über die Gemeindegrenzen hinweg», war ihre (in diesen Fällen zu späte) Feststellung. Die Zweisimmerin dankte dem scheidenden Regierungsstatthalter für seine ausgezeichnete Arbeit und wünschte ihm an seinem neuen Arbeitsplatz im Emmental alles Gute.

Henkersmahlzeit

Mit einer Henkersmahlzeit im Amtgerichts-Säli des Hüsis klang der Abschied einigermassen versöhnlich aus. Auf dem Menüplan standen «Oberamtmann Effingers Gerstensuppe», «Landesvenner Im Oberstegs Sonntagsbraten mit Ofenkartoffeln» und «Uelis süsser Bubentraum». Die exquisite Mahlzeit aus der Küche von Hans-Jürgen Glatz und die dazu passenden Weine haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Angeregt wurde über die Zukunft von Schloss Blankenburg diskutiert. Ist der Abschied vielleicht gar eine Chance für einen Neuanfang?

Schluss mit der Bezirksverwaltung auf Schloss Blankenburg

Der ehemalige Schloss-Lehrling Robert Wampfler überbrachte die Schloss-Protokolle der vergangenen 600 Jahre in Form einer 68-seitigen Festschrift.

Erstellt am: 16.12.2009

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