Von Gang zu Gang – der Wettkampf der Simmentaler

Erster Gang: Furioser Start der Simmentaler

Das Schwinger-Quintett aus dem Simmental meisterte den ersten Gang am Eidgenössischen Schwingfest in Frauenfeld ohne Niederlage.

Teamsenior Roland Knutti hatte als Erster anzutreten und verteidigte sich gegen den Nordostschweizer Peter Bühler erfolgreich. Der Kampf unter dem Motto «Verlieren verboten» endete remis.

Ruedi Roschi, angetreten mit einer schmerzstillenden Spritze wegen einer Rippenquetschung, konnte gegen den Nordostschweizer Marco Clopath verdient gewinnen. Jeder seiner wuchtigen Züge tat ihm weh, bekannte der Sieger nach seinem guten Einstand. – Animiert verlief auch der Kampf zwischen Beat Wampfler und dem Innerschweizer Guido Gwerder. Beiden boten sich Möglichkeiten zum Gewinn, das Resultat ein Gestellter.

Reto Maurer traf im ersten Gang mit Bruno Müller auf einen der Gegner, die er schon vor dem Fest genannt hatte und von dem er erwartet hatte, «dass er mehr kommt». Resultat: Sieg und erste Maximalnote für den Oberwiler. – Erst nach mehrmaligem Aufruf (die Übermittlungsanlage ins Berner Zelt war defekt), erschien dann auch Kilian Wenger in der Arena. Der Kampf gegen den Nordostschweizer Bruno Gisler glich einem Feuerwerk. Beide wollten den Sieg! Kilian Wenger hatte das bessere Ende und gewann in letzter Sekunde mit Überdrücken am Boden.

Zweiter Gang: Einzig Maurer bezieht eine Niederlage

Für seinen schnellen Sieg über den Innerschweizer Ivo Laimbacher wurde Kilian Wenger mit einer 10 benotet. – Auch Ruedi Roschi wurde mit seinem schönen Sieg über Jakob Niederberger aus Dallenwil mit der Maximalnote benotet. Die Schmerzen haben leicht nachgelassen, meinte der entspannte Oeyer nach seinem Sieg, der ihn zusammen mit Kilian Wenger auf Platz zwei im Zwischenklassement vorrücken liess. – Beat Wampfler zählte ebenfalls zu den Siegern: Ignaz Rohner, der starke Nordostschweizer hatte das Nachsehen. – Roland Knutti, weiterhin defensiv agierend, stellte auch seinen zweiten Gang (gegen Reto Kümin). – Pech für Reto Maurer, der trotz überlegen geführtem Kampf gegen Christoph Bieri das Nachsehen hatte. Er «lief» in einen Konter und landete auf dem Rücken. Die Kampfrichter zückten trotz der Niederlage die 8,75, was beweist, dass er einen guten Kampf geboten hatte.

Dritter Gang: WengererobertdieSpitze

Bei brütender Hitze verlor Roland Knutti gegen Urs Abderhalden seinen dritten Gang und kam in Gefahr frühzeitig auszuscheiden. – Beat Wampfler hingegen kam gegen Remo Holdener zum zweiten Sieg. – Ruedi Roschi bekam es als erster der Simmentaler mit Martin Grab zu tun, verlor etwas unglücklich und (aus Berner Sicht) eher knapp. Er lag mehr auf dem Hintern als auf den Rücken. – Einen grossen Sprung nach vorne tat Reto Maurer. Sein Zehner gegen den einen der beiden in der Zwischenrangliste führenden, Mike Müllestein, brachte ihn mit 28,75 Punkten auf Zwischenrang vier. – Gegen den anderen nach dem Mittagessen führenden Reto Nötzli hatte Kilian Wenger anzutreten. Er hatte etwas mehr zu kämpfen als Maurer, kam aber nach hartem Kampf am Boden zum Sieg. Die Note 9,75 reichte aus, um nach drei Runden das Klassement alleine und mit 39,50 Punkten anzuführen.

Vierter Gang: Rückschlag für Maurer, Wampfler und Knutti

Kilian Wenger tat es seinem prominenten Vereinsmitglied David Roschi gleich. Auch der König hatte 1974 in Schwyz nach vier Gängen geführt. Zu diesem glanzvollen Zwischenresultat war ein Sieg über Mario Thürig nötig. Damit wurde Kilian Wenger schon am Samstagabend der meistgefragteste Mann in der Frauenfelder Arena. Die Medien verfolgten den 20-jährigen auf Schritt und Tritt und selbst grösste Schwingeramateure wurden endgültig auf den Diemtigtaler Botschafter aufmerksam. – Etwas weniger gut gelang den anderen Simmentalern der Tagesabschluss. Ruedi Roschi stellte mit «letzter Not» gegen Bruno Nötzli: «Ich hatte zu wenig getrunken, es wurde mir am Ende schwarz vor den Augen». – Beat Wampfler und Reto Maurer beschlossen den Tag mit unglücklichen Niederlagen. Maurer ging es dabei gleich wie Ruedi Roschi im dritten Gang: Niederlage gegen Martin Grab. Der Innerschweizer hat sich beim kürzlichen Fermeltaler Urlaub offenbar speziell auf die Simmentaler Gegner einstellen können. – Roland Knutti fiel mit einer weiteren Niederlage gegen Peter Horner aus der Entscheidung und erlebte den Sonntag als Zuschauer.

Fünfter Gang: Historische Minuten – Wenger entzaubert den Schwingerkönig

Tag der Entscheidung: Die Simmentaler Fans waren sich schon beim Einmarsch in die nebelumhangene Arena einig: Kilian Wenger hatte die Form und das Können, den König vom Thron zu stürzen. Samuel Gfeller, Technischer Leiter der Berner zur Frage nach der Taktik: «Wir schwingen voll auf Angriff». – Vorerst musste Ruedi Roschi gegen Andy Büsser eine Niederlage einstecken. Der technisch versierte Turnerschwinger konterte die Bemühungen von Roschi und gewann durch Überdrücken am Boden. Damit wurde es für Roschi eng. – Noch vor dem mit Spannung erwarteten Spitzenkampf mussten auch Wampfler und Maurer an die Arbeit. Entschlossen und vehement suchte Wampfler gegen Stefan Strübin sofort den Sieg, musste aber gegen den unbequemen Innerschweizer hart fighten, bevor er zum Resultat kam. – Auch Reto Maurer kam zu einem schönen Sieg über Marcel Mathys. Die Chancen der beiden auf einen Kranzgewinn blieben intakt. – Gleichzeitig bereiteten sich Kilian Wenger und der noch amtierende Schwingerkönig Jörg Abderhalden auf das Highlight des Morgens vor. Die beiden schenkten sich nichts, mit wuchtigen Kurzzügen und Hüftschwüngen versuchten sie sich gegenseitig auszuhebeln. Und dann geschah es: Kilian Wenger brachte Abderhalden zu Boden und hatte unter den tosenden Anfeuerungsrufen des Publikums die Geduld und die Nerven, den König endgültig ins Sägemehl zu drücken. Der Sieg des Horbodners wurde frenetisch bejubelt, hatte er doch soeben das Ende der Aera des dreifachen Schwingerkönigs eingeleitet. Fast mitleidvoll umarmte Kilian sein grosses Vorbild und Jörg Abderhalden, ganz Sportsmann, gratulierte seinem möglichen Nachfolger sportlich. Nach diesem fünften Gang führte Wenger die Zwischenrangliste mit einem halben Punkt Vorsprung an. Es war die Runde der Berner: Christian Stucki, Thomas und Matthias Sempach, Christian Dick, Willy Graber und Christian Bürki brachten sich mit Siegen in gute Positionen. Einzig Matthias Siegenthaler rutschte nach einem Gestellten einige Plätze ab.

Sechster Gang: DasAusfürRuediRoschi

Für Ruedi Roschi bedeutete die Niederlage im sechsten Gang gegen den Innerschweizer Guido Gwerder das Ausscheiden aus dem Wettkampf. Mit 54,25 Punkten aus sechs Durchgängen darf er mit dem Abschneiden an seinem ersten Eidgenössischen trotzdem zufrieden sein. Schon seinem Vater war es 1969 in Frauenfeld so ergangen. – Beat Wampfler lieferte sich mit Roman Emmenegger einen harten «Bodenkampf» mit Vorteilen für beide, bevor er doch noch platt zum Resultat und zum Zehner kam. Damit «überholte» er Reto Maurer, der seinerseits gegen Mario Thürig kein Rezept fand und stellen musste. – Den genüsslichen Apéro vor dem Mittagessen lieferte wiederum Kilian Wenger: Der unbequeme Benji von Ah schien ihm nicht zu liegen und brachte den Simmentaler zweimal ins Wanken. Das war’s dann aber. Ein weiterer wuchtiger Hüftschwung und auch der Innerschweizer Turnerschwinger lag platt im Sägemehl. Damit verteidigte Kilian seinen Vorsprung auf den weiterhin ebenfalls ungeschlagenen Martin Grab. Dahinter rückten Christian Stucki, Thomas Sempach und Willy Graber mit Siegen auf und auch die Nordostschweizer Jörg Abderhalden (Sieg über Matthias Sempach), und Michael Bless (Sieg über Christian Dick) etablierten sich wieder im Verfolgerfeld.

Siebter Gang: Wenger ist schon vordem Schlussgang Sieger

Nun ging es für die drei Simmentaler um alles oder nichts. Für Kilian Wenger (gegen den Nordostschweizer Michael Bless) ging es um die Schlussgang-Qualifikation. Beat Wampfler (gegen Philipp Laimbacher) und Reto Maurer (gegen Bruno Nötzli) mussten siegen, um mit intakten Chancen auf einen Kranz in den letzten Gang zu steigen. Maurer erledigte seine Pflicht im ersten Zug. Wampfler wehrte sich am Boden souverän gegen die drohende Niederlage, konterte, bekam Oberwasser und liess dem Innerschweizer am Boden (ganz im Stil von Wenger gegen Abderhalden) keine Chance mehr! – Auch Kilian Wenger liess sich nicht mehr um die Früchte seiner Arbeit bringen. In überlegener Manier bezwang er auch den Nordostschweizer Michael Bless. Die Folge: Eine weitere Note 10 und ein uneinholbarer Vorsprung von 1,75 Punkten auf Martin Grab (gestellter Gang gegen Christian Stucki) und Jörg Abderhalden (Sieg über Thomas Sempach). Somit hätte der Simmentaler den Schlussgang sogar verlieren können; er wäre dennoch Festsieger (aber vielleicht nicht Schwingerkönig) geworden. Doch, wie wir inzwischen wissen, ersparte der Horbodner dem Kampfgericht diesen Entscheid…

Achter Gang: Die Krönung

Um Punkt 16.30 Uhr kommt es zum Kräftemessen zwischen dem Simmentaler und dem Innerschweizer Martin Grab, der es damit in Frauenfeld nach Maurer und Roschi mit dem dritten Simmentaler zu tun hat: In dem auf 16 Minuten angesetzten Kampf geht es auf Biegen und Brechen. Beide wollen den Sieg und liefern sich einen äusserst spannenden Kampf. Die Anfangsphase gehört Kilian Wenger, dann zeigt Martin Grab seine Fähigkeiten. Nach der Hälfte der Wettkampf-Dauer hat Kilian seinen Gegner schon einmal fast auf dem Rücken. Mit letzter Not entweicht Grab. Unter den Zurufen seiner Fan’s greift Wenger weiter resolut an und nach gut 12 Minuten ist es um den Innerschweizer geschehen.

KILIAN WENGER IST SCHWINGERKÖNIG!!

38 Jahre nach David Roschi, Oberwil, ist wieder ein Simmentaler König! Historisches ist auch auf seinem Notenblatt zu lesen: Nie mehr seit dem Erfolg von Ernst Schläpfer im Jahr 1980 hat ein König alle acht Gänge für sich entscheiden können.

Umringt von einer Meute aus Medienschaffenden heben die Vereinskollegen Beat Wampfler und Ruedi Roschi ihren Freund auf die Schultern. Eine kurze Verschnaufpause, erste Interviews mit SF DRS und Platzspeaker Dagobert Cahannes, Gratulationen von überall und es geht ab für einige Minuten unter die Dusche. Das dürften dann aber auch für lange Zeit die einzigen ruhigen Minuten im Leben des neuen Königs gewesen sein.

Drei Kränze geheninsSimmental!

Im Schatten von Kilian Wenger machen aber auch die anderen Simmentaler Furore. Reto Maurer, nach einem schnellen Sieg über Daniel Bohl und Beat Wampfler, trotz einer abschliessend Niederlage gegen Michael Bless gewinnen das begehrte eidgenössische Eichenlaub! Beide durften fünf Siege auf ihrem Notenblatt verbuchen. Reto Maurer wird glänzender Sechster mit 75,75 Punkten und Beat Wampfler holt sich den begehrten Kranz mit 74,75 Punkten. Damit gehen zwei der wohl erfolgreichsten und schönsten Tage für die Simmentaler Schwingerfans zu Ende. Text und Bilder Ernst Hodel