Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Weitere Informationen

Flugzeugabsturz in Zweisimmen am 21. Mai 1981

Von Christine Stucki, Zweisimmen

rating rating rating rating rating

Wir schrieben an diesem Morgen vom Hellraumprojektor einen Text ab. Wie an den vorigen Morgen etwa um 8 Uhr flogen schon Miragen und Tiger Richtung St. Stephan und wieder ins Welschland. Nichts schien anders zu sein. Den Knall hielten wir Kinder für einen müden Überschallknall, als plötzlich die Sirene aufheulte. Was war passiert?

Der Lehrer sagte uns, wir sollten weiter schreiben und wenn die 9-Uhr-Pause läute, im Zimmer bleiben. Wer auf’s WC muss, soll gehen. Er selber gehe jetzt ins Lehrerzimmer, wahrscheinlich sei es ernst.

In der 9-Uhr-Pause plauderten wir sehr aufgeregt, was denn sein könnte. Der Lehrer kam zurück, er müsse in die Feuerwehr. Er erteilte uns die Aufgaben und sagte, dass wir in der 10-Uhr-Pause im Schulhaus oder höchstens auf dem Pausenplatz sein durften, ja nicht ins Dorf! Und nach der Pause die Stelzen fürs Fest fertig machen sollten. Die Mädchen hätten keine Kochschule, helfen beim Stelzenlackieren und räumen dann den Werkraum auf. «Wenn ihr nach 11 Uhr fertig seid, verlasst das Schulhaus ganz leise. Der eine Lehrer kommt ca. 11 Uhr schauen und hören, was ihr für Fragen habt», so ging er weg.

Die ungewisse Aufregung und das Vertrauen, dass wir selber die kommenden Aufgaben lösen und arbeiten durften, spornte uns an. In der grossen Pause (wir waren in den Gängen gruppen- und grüppchenweise zusammen): Flugzeugabsturz! Wo? Wendes Mädchen mussten betreut werden, das ältere sogar vom Arzt. Die kleinere war schon fast beruhigt, dass der Papa lebt. Sie durfte heim, die Lehrerin brachte sie nach Hause.

Auf dem Heimweg sah ich diese riesige schwarzgraue Rauchsäule. Ich rannte fast nach Hause. Am Mittag erzählte Mutti vom Knall aus Richtung Seebergsee, als sie von Operation auf dem Heimweg vom Arzt war. Die Hand über die Augen haltend, hielt sie Ausschau. Erst sah sie nichts. Sie war Anfang der Lischerengasse. Dann nahm sie die havarierte Mirage in Richtung Spillgerten wahr, die wie ein Blatt vom Wind hin und her taumelte. Mutti rannte die Lischerengasse gegen den Flugplatz runter, immer wieder den Blick nach oben, um zu versuchen, auszuweichen! Der Gedanke, die Mirage könnte in der Grossenmatte oder zwischen dem Schulhaus und Simme zu Boden gehen. Hoffentlich nicht im Dorf!

Zu Hause angekommen, rüstete sie Dädis Feuerwehrzeug. Um ca. 13 Uhr kam Dädi, er habe das Aufgebot bekommen – damals arbeitete Dädi in der Lenk bei der LBG. Beim Hausaufgabenmachen konnten wir uns kaum konzentrieren. Immer wieder rannten wir auf das Strässchen runter, um die Flammen und den Rauch zu studieren.

Dädi kam am Nachmittag nach Hause und berichtete: Er habe von Morgen früh bis Mittag Brandwache. Eine Frau ist gestorben, die im Haus zu oberst gewohnt hat, und zwei Personen sind verletzt. Sie mussten die drei in unmittelbarer Nähe stehenden Häuser schützen und den Brand bekämpfen. Dädi hatte kurz, bis am Samstagmorgen, Brandwache, die aber gegen Mittag aufgehoben wurde.

Am Samstagnachmittag machte ich einen Botengang, um Dädi etwas zu bringen, der in Betelried eine Reparatur erledigen musste. Auf der Zelg begegnete ich einigen Leuten. Das noch brandheisse Thema: Mirage-Absturz aufs Stampfihus Nr. 1.

Von der Zelg und von Blankenburg aus sah das sich hin und her bewegende Kampfflugzeug sehr ungeheuerlich aus. Kaum einschätzbar, wo es landen, aufprallen würde. Die schlimmsten, horrormässigen Gedanken der Augenzeugen in diesen Sekunden des Sehens – bis zum Aufschlag. Bahnhof, Schulhaus, Musikhaus, Spital, Zeughaus!

Der Absturz richtete nur einen Totalschaden des Hauses an, forderte jedoch ein Menschenleben und zwei Verletzte.

Am vergangenen Samstag, also 21. Mai 2016 um 11.20 Uhr, überflog von den Spillgerten-Seebergsee her übers Dorf Zweisimmen ein Hunter Richtung Saanen-Welschschweiz – ein Gedenkflug?! Erinnerungen an den Morgen, sieben Minuten vor 9 Uhr vom 21. Mai 1981 wurden wach. Mein Bruder und ich schauten diesem Hunter nach. Gedenke der Stille.

Erstellt am: 26.05.2016

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare

Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Interessante Artikel