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GSS: Spielregeln und deren Anwendung

Von Dr. med. Thomas Zimmerli, Zweisimmen

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Stellen Sie sich vor, Sie gehen an ein Fussball-Cupturnier. Eine Superleague-Mannschaft spielt gegen den FCG, die lokalen Amateur-Kicker. Das Spiel soll 2×30 Minuten dauern, so ist es ausgemacht. Nach Ablauf der 60 Minuten führt überraschend der FCG mit 1:0. Beim Trainer des Spitzenteams bricht Panik aus: Ausscheiden ist verboten! Was macht man also: Der Schiedsrichter wird kurzerhand vor Ende des Spiels angewiesen, die 2. Halbzeit nun doch mittels einer Nachspielzeit auf 90 Minuten zu verlängern – bis dann werden die Profi-Fussballer aus der Spitzenliga das Spiel wohl noch wenden können!

Und nun stellen Sie sich vor, es findet eine Abstimmung statt mit festgelegten Spielregeln. Im Text der Abstimmungsvorlage heisst es klar: «Das Gesundheitsversorgungsprojekt der GSS kommt unter den folgenden Voraussetzungen zur Anwendung:

1.Alle Gemeinden aus der Region Obersimmental und Saanenland stimmen dieser Vorlage zu.

2.Der Grosse Rat des Kantons Bern stimmt sowohl einer Bürgschaft (20 Mio. Franken) als auch einer Kreditlimite von 13 Mio Franken zugunsten der GSS zu.»

Am 25. August 2023 hat die Bevölkerung der Gemeinde Gsteig einen überraschenden, knappen Entscheid gegen das GSS-Projekt für eine neue Gesundheitsversorgung in der Region getroffen, was von den anderen Gemeinden im Saanenland und Simmental mit ihrer überwältigen Zustimmung zum Projekt so nicht erwartet wurde und nun «korrigiert» werden soll. – Punkt 1 der Voraussetzungen ist nicht erfüllt, Punkt 2 ist noch offen. Das vorgelegte Projekt ist also gemäss den von der Projektleitung definierten Spielregeln gescheitert.

Die Gemeindebehörden von Gsteig haben in einer Pressemitteilung vom 29. August 2023 auf die teilweise heftige Kritik am demokratisch getroffenen Entscheid ihrer Stimmbürger reagiert und die Ablehnung der Vorlage begründet. Es geht ihnen ja kaum um die Verhinderung einer guten, dringend notwendigen 24-Stunden-Notfallversorgung in unserer Region, sondern um die Ablehnung eines unausgereiften Projekts mit abenteuerlichen Annahmen bezüglich Finanzierbarkeit und angesichts der bestehenden Personalknappheit.

Dass nun einfach der finanzielle Beitrag der Gemeinde Gsteig von den anderen Gemeinden übernommen werden soll, war wohl kaum der Wille der Gsteiger. Und müsste dann konsequenterweise einem kranken oder verunfallten Bürger von Gsteig in Ermangelung des Gemeindebeitrags für ein neues Spital der Zutritt zu diesem verweigert werden? – wohl eher kaum!

Die Aufgaben eines Spitals sind heute anders als noch vor gut 30 Jahren, als ich hier eine Hausarztpraxis übernahm. «Ambulant vor stationär» ist inzwischen immer wichtiger geworden. Viele Notfallsituationen wie beispielsweise Herzinfarkt, Schlaganfall, grosse Notfall-Chirurgie erfordern heute eine raschestmögliche Überführung in ein Zentrumsspital und können nicht mehr wie früher im Kleinspital behandelt werden. Spezialisierte Wahleingriffe in Orthopädie, Wirbelsäulenchirurgie, Urologie und Gynäkologie benötigen nebst zeitgemässen apparativen Einrichtungen vor allem gut eingespielte, spezialisierte Teams aus Ärztinnen und Ärzten, technischem Operationspersonal und Pflegefachleuten, sowie das Vorhandensein einer Überwachungs- oder Intensivstation.

Und warum gibt es überzeugte Befürworter eines Spitals in der Region, die – sobald es sie selber betrifft – auch kleine Eingriffe unbedingt vom Spezialisten im Unterland behandeln lassen wollen, obschon diese durchaus in Zweisimmen durchgeführt werden könnten?

Gsteig hat all diese Aspekte offenbar stärker gewichtet als die übrigen Gemeinden. Warum wurden im Vorfeld der Volksbefragung nicht zwei gut fundierte Varianten für eine zeitgemässe Gesundheitsversorgung ausgearbeitet und zur Abstimmung gebracht – eine mit stationärem (Spital-) Angebot und eine mit Beschränkung auf eine optimale ambulante Rund-um-die-Uhr-Notfallversorgung, auch mit Einbezug der Hausärzte? Dann hätte die Stimmbevölkerung nämlich die Möglichkeit gehabt, differenziert Stellung nehmen zu können, anstatt auf die Drohung zu hören: «Entweder stimmt ihr der Vorlage zu, oder ihr werdet nichts mehr haben».

Die Nachspielzeit läuft – im November wird bekanntlich nochmals abgestimmt. Und dann wird das Resultat ja passen. Fairplay würde allerdings bedeuten, sich – im Sport und in der (Gesundheits-)Politik – an die vor dem Spiel festgelegten Regeln zu halten.

Erstellt am: 21.09.2023

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Kommentare
Markus Hostettler 21.09.202309:37 Uhr

Auch Dr. med. Thomas Zimmerli zeigt – wie Dr. med. Thomas Näf vor Wochenfrist – ein fragwürdiges Demokratieverständnis: Die Gemeinde Gsteig hat sich mit ihrem "Nein" selber aus dem Spiel genommen – was die anderen Gemeinden nun tun, geht die Gsteigerinnen und Gsteiger nichts an.
Auch Dr. Zimmerli erweckt den Eindruck, dass er von einem Veto-Recht jeder einzelnen Gemeinde zum Projekt "Gesundheit Simme Saane GSS" ausging. Auch er hatte sich auf Informationen gestützt, die mit der direkt-demokratischen Realität und der Gemeinde-Autonomie nichts zu tun haben.
Richtig ist vielmehr, dass das "Nein" der Gemeinde Gsteig auch die "Ja"-Beschlüsse der sechs anderen Gemeinen hinfällig werden liess. Es hat also nichts mit fehlendem "Fairplay" zu tun, wenn die sechs Gemeinden, die an den Gemeindeversammlungen vom 25. August 2023 zugestimmt hatten, über eine neue Kredit-Vorlage unter Einschluss der Kosten der ablehnenden Gemeinde entscheiden dürfen.

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