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Lehrplan 21 bringt mehr Deutsch- und Mathunterricht

Von Renata Wehner, Erlenbach

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Zum Artikel von Herrn Pulver vom 24. März 2016), erlaube ich mir, einige Erläuterungen zu machen:

Das Schweizer Volk hat im Jahr 2006 zur Harmonisierung der Volksschule «Ja» gesagt. Es hat aber nicht ja gesagt zu Kompetenzorientierung und Kompetenzrastern, noch zu Testbatterien und Vergleichstesten, noch zu den horrenden Kosten ohne pädagogischen Mehrwert. Entgegen den Aussagen von Regierungsrat Pulver gibt es sehr wohl Lehrer, Professoren, Heilpädagogen, Psychologen und Wissenschaftler, die sich gegen das neue Regelwerk stellen (BZ, versch. Artikel, Streitschrift «Einspruch»). Zum Glück gibt es diesen Widerstand, denn sonst hätte Regierungsrat Pulver u. a. die psychometrische Vermessung unserer Kinder wahrscheinlich schon eingeführt (Sonntagszeitung 21.2.2016).

Wenn der Lehrplan 21 keine grundlegenden Umwälzungen bringt (so Herr Pulver), dann frage ich mich, warum Professor Kurt Reusser, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Lehrplankommission, von einem grundlegenden Paradigmenwechsel spricht, und die ehemalige Erziehungsdirektorin des Kantons Zürich (Regine Aeppli) den LP21 als Jahrhundertwerk, das die Schule entscheidend verändern wird, bezeichnet. Sind sich Herr Pulver und Herr Reusser wohl nicht einig?

Ja, es ist allgemein bekannt, dass unsere Schulabgänger die Grundlagen der Mathematik nicht mehr beherrschen. Und das trotz dem jetzigen LP21-konformen, kompetenzorientierten Lehrmittel, das schon seit Jahren im Kanton Bern verwendet wird. Da helfen auch keine zusätzlichen Mathestunden, wenn das Lehrmittel nicht das vermittelt, was eigentlich am Ende gebraucht wird. Laut LP21 besteht der Mindestanspruch in Mathe am Ende der 2. Klasse aus dem bisherigen Stoff der 1. Klasse. In der Mittelstufe müssen die schriftlichen Grundoperationen sowie das 1×1 nicht mehr beherrscht werden, denn man muss es nur noch kennen, nicht können.

Regierungsrat Pulver verspricht den Lehrern Methodenfreiheit: in der Praxis scheint das anders zu sein, denn auf Anfrage eines Oberstufenzentrums, ob ein anderes Lehrmittel angewandt werden dürfe, kam die Antwort: «Das Lehrmittel und die darin enthaltene Lehrmethode sind nicht verhandelbar». Oder warum darf eine erfolgreiche, qualifizierte Französischlehrerin nicht mehr unterrichten, weil sie das neue Lehrmittel, LP21 konform, als untauglich einstuft? (Schuleschweiz blogspot). Ist das etwa Methoden-Freiheit?

Es stimmt, Schüler sollen am Schluss nicht nur Wissen im Kopf haben, sondern dieses auch anwenden können. Auch Wissen ohne direkte Anwendung auf unser Leben ist notwendig. So was gehört auch zur Bildung. Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir auch ohne kompetenzorientierte Lehrmittel unser Wissen bestens anwenden konnten.

Ich empfinde es als verantwortungslos, dass wir einer einzigen Person in der Regierung erlauben, einen Lehrplan einzuführen, der Bewährtes über Bord wirft, der den Bildungsabbau in anderen Ländern durch Einführung von Kompetenzen nicht berücksichtigt, der Studien von Wissenschaftlern und Professoren, Bedenken von Kinderärzten, Psychologen usw. ignoriert und dabei Millionen von Franken ausgibt. Hier geht es nicht mehr um das Wohl und einen guten Bildungsstandard unserer Kinder, sondern u. a. um OECD-Tauglichkeit und, provokativ bemerkt, vielleicht sogar um persönliche Interessen von Regierungsrat Pulver.

Die Berücksichtigung der Motion und die Initiative «Lehrpläne vors Volk» wären einen Schritt in die richtige Richtung und gäbe Zeit und Freiraum für eine ehrliche und offene Diskussion, die auch der breiten Öffentlichkeit, und vor allem auch den Eltern, nicht vorenthalten wird. Mit ein paar Zitaten/Feststellungen möchte ich abschliessen:

«Es gibt keine pädagogische Begründung für den Lehrplan 21 und dessen einseitige Ausrichtung auf die Kompetenzorientierung!» (Prof. Roland Reichenbach, an der ZKM in Zürich am 9.9.2015)

«Kompetenzen machen unmündig» (Prof. Dr. Jochen Krautz)

Dr. Joseph Laimbacher, Chefarzt des Ostschweizer Kinderspitals St. Gallen meint, dass individualisiertes Lernen (à la LP21) bei Kindern zu psychosomatischen Störungsbildern führen kann.

Dr. Andreas Würmli, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, bezweifelt, dass bei der Reform des Lehrplans das Wohl des Kindes im Zentrum stand.

«Es ist höchste Zeit für das Eingeständnis, dass wir einen kostspieligen und nicht kindgerechten pädagogischen Irrweg eingeschlagen haben». (Remo Largo, Kinderarzt, Autor)

«Der Lehrplan wurde in einem hermetisch abgeschlossenen Gremium ausgeheckt. Die Leute mussten eine Schweigeerklärung unterschreiben.» (Alain Pichard, Sek- und Reallehrer in einem Interview)

«Der LP21 entspringt einem ökonomisch bedingten Globalisierungswahn» (aus der Broschüre «Was will uns der LP21 sagen?»)

«Es entsteht ein 2-Klassen-Bildungssystem. Das wird immer offensichtlicher, doch darüber gibt es bisher keine öffentliche Diskussion»... Viele Eltern merken, dass etwas nicht richtig stimmt, können aber die Geschehnisse nicht richtig einordnen, sehen die Zusammenhänge nicht.» (Dr. med. Elke Möller-Nehring über LehrplanPlus in Bayern, Lehrplan à la LP21).

Erstellt am: 31.03.2016

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