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Nein zur KVI und damit Ja zum Gegenvorschlag

Von Andres Christen

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Neben der viel diskutierten Frage, wie weit KMUs haften (klar ist, der Verfassungstext sieht hier keine grundsätzliche Beschränkung der Anwendbarkeit auf börsenkotierte oder andere Grossunternehmen vor und auch nicht auf Bergbauunternehmen oder dergleichen), sollte man vielleicht auch mal die eigene warme Stube in der bestens abgesicherten Schweiz verlassen und sich überlegen, was eine solche Haftungsverschärfung für die direkt Betroffenen bedeuten könnte.

Dazu z.B. ein Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 20. November über die von den Initianten viel zitierte peruanische Mine in Cerro de Pasco – Juan Roja Quispe. Ein in diesem Bergdorf aufgewachsener Bergbauingenieur erklärt, dass «für die Menschen in Cerro die Arbeit im Bergwerk ein Traumjob ist, da auch einfache Arbeiter bis zu USD 4000 monatlich verdienen, ein Vielfaches des sonst üblichen Lohnes».

Ich frage mich, was uns das Recht gibt, darüber zu urteilen, was diese Menschen wollen dürfen und was nicht, auch wenn der Job aus unserer Sicht wohl kaum ein Traumjob sein dürfte und vermutlich lange nicht alle USD 4000 verdienen… Steht es uns wirklich zu, darüber zu urteilen, ob diese Mienen modernisiert und damit wohl auch vermehrt automatisiert werden müssen, weil das unserem Schweizerstandard entspricht und dafür zahlreiche Jobs verloren gehen?

In Peru gibt es nämlich nicht 18 Monate lang 80 Prozent Arbeitslosengeld und ein hochgerüstetes Gesundheitssystem, das jeden versorgen muss, ob er das bezahlen kann oder nicht. Ähnliche Überlegungen stellt auch die Grün-Liberale Nationalrätin Isabelle Chevalley an, die sich persönlich und mit eigenem Geld (Aufnahme einer Hypothek auf ihr eigenes Haus) stark in Burkina Faso gegen Armut, bessere Arbeitsverhältnisse und für Umweltschutz einsetzt (Interview NZZ vom 13. November 2020) – Sie hat Schutzbrillen für die Steinmetze in einem grossen Steinbruch organisiert, sieht aber eine weitergehende Automatisierung als kontraproduktiv an.

Letztlich liegt es an uns allen, verantwortungsvoll zu handeln. Das können wir tun, indem wir uns eben über die Produktion und Herkunft der Konsumgüter orientieren – in diese Richtung von mehr Transparenz gehen die als Gegenvorschlag zur Debatte stehenden Gesetzesänderungen.

Zweifelsohne haben hier insbesondere Schweizer Unternehmen schon sehr viel geleistet und auch von Investorenseite wird immer stärker Druck in Bezug auf Nachhaltigkeit auf Unternehmen ausgeübt. In diesem Sinne bin ich natürlich froh, dass sicherlich alle, die hier so vehement für die KVI eintreten, konsequent ihre Eigenverantwortung wahrgenommen haben und wahrnehmen werden und keine Konsumgüter chinesischer oder vietnamesischer Herkunft usw. kaufen, die meist unter miserablen Konditionen für die Arbeiter und Umwelt hergestellt sind und weiterhin uneingeschränkt in die Schweiz importiert werden – ob die KVI angenommen wird oder nicht. Nachhaltigkeit kostet den Konsumenten natürlich Geld, aber wer so überzeugt von der gerechten Sache ist, wird dieses wohl auch in Kauf nehmen.

Ist es des Weiteren richtig, dass sich Schweizer Gerichte anmassen müssen, darüber zu urteilen, was in Peru, Nigeria oder sonst wo rechtens ist? Ich glaube, gerade in SVP-Landen ist man diesbezüglich sonst sehr stark anderer Meinung, wenn es darum geht, ob ausländische Gerichtsentscheide in der Schweiz Wirkung entfalten sollten… Soll das nun hier, im Falle der KVI, richtig sein, weil wir halt moralisch auf einer höheren Ebene stehen als diese Länder? Ich bezweifle das doch eher.

Und noch ein Satz zum «Offenen Brief an die Reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn» und den Antworten einiger Pfarrer in der Simmental Zeitung – ich bin auch Protestant und bezahle jedes Jahr meine reformierte Kirchensteuer. Ich finde es nicht in Ordnung, dass die Kirche sich einfach entscheidet, einseitig zugunsten einer KVI Propaganda zu machen, da ich und wohl manch anderes Kirchenmitglied das Ganze etwas anders sehen. In diesem Sinne geht das für mich schon stark in Richtung Zweckentfremdung meiner Kirchensteuergelder.

Ich glaube, es gibt genügend Bereiche, in denen sich die Kirche in der Schweiz selber direkt engagieren kann, für Leute, denen es bei uns nicht gut geht. Ansonsten könnten ihr noch mehr Mitglieder weglaufen.

Erstellt am: 26.11.2020

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