Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. OK Weitere Informationen

Pauschalsteuer – ein schweizerisches Reizwort?

Von Gottfried von Siebenthal, Aeschiried

rating rating rating rating rating

Da eine seriös geführte Diskussion über Pauschalbesteuerung nicht ohne Thematisierung der Steuergerechtigkeit auskommt, wundere ich mich immer wieder, wie einseitig fokussiert uns die Befürworter dieser Steuer «informieren». Versucht man einfach, dem Stimmbürger mit unvollständigen und zum Teil verfälschten Fakten möglichst Sand in die Augen zu streuen oder fehlt es da auch an ganzheitlichem Wahrnehmungsvermögen?

Kürzlich veröffentlichten die Medien die Zahlen der zur Zeit von «Pauschalierten» eingenommenen Steuern. Und prompt versuchen uns PS-Befürworter auch schon zu suggerieren, dies sei der effektive, uns bei Annahme der Initiative fehlende Steuerbetrag. Auch sie glauben aber nicht im Ernst, sämtliche dieser Ausländer würden unser Land verlassen. Noch unrealistischer ist ihre zweckpessimistische «Prognose», die durch Wegzug frei werdenden Liegenschaften würden dann alle einfach brach liegen und keinen volkwirtschaftlichen Nutzen mehr bringen.

Die herum gebotenen Zahlen sind dermassen widersprüchlich, dass ich ihnen keinen «absoluten Glauben zu schenken» vermag. Allein schon dieser Widerspruch müsste den wachsamen Stimmbürger hellhörig machen: Die PS-Verfechter argumentieren, diese Ausländer würden sich nur der geringen Steuer wegen bei uns aufhalten, d.h. sie unterstellen damit allen diesen, «Steuer-Optimierer» zu sein. Und diese Art Steueroptimierung wird heute zunehmend mit Steuerflucht gleichgesetzt, international angeprangert und geächtet. Gleichzeitig liest und hört man in den Pro-PS-Kommentaren, diese Steuer-Gäste seien so edel gesinnte und sich uneigennützig um das Wohl der Einheimischen kümmernde Menschen, dass es geradezu eine wirtschaftliche Todsünde sei (die nur Neider und Fanatiker begehen!), ihnen nicht den roten Teppich auszurollen und vor ihnen auf die Knie zu fallen. Und diese Edelmütigen, unser Land und die Region Liebenden, würden dann wegen höherer Besteuerung einfach alle wegziehen?!

Bezugnehmend auf Peter Dütschlers Leserbrief in der SZ-Ausgabe Nr. 44 stelle ich hier folgende Fragen:

– Bin ich ein Neider, wenn ich kritisiere, dass der reiche Ausländer x-mal weniger Steuern zahlt als (m)ein Schweizer Mitbürger mit vergleichbarem Einkommen und Vermögen?

– Bin ich fanatisch, wenn ich’s ungerecht finde, dass milliardenschwere Oligarchen ungestraft ihr Vermögen am Fiskus vorbei in andere Länder «schmuggeln» können und bei uns erst noch privilegiert (fast steuerfrei) Wohnsitz erhalten, während die Mehrheit ihres Volkes unter der Armutsgrenze lebt und zum Teil hungert? Auch die vehementesten PS-«Fans» glauben nicht wirklich, in der Schweiz pauschalbesteuerte Staatsangehörige aus Ländern mit korrupten Regierungen (wie z. B. Russland oder Griechenland) würden «zuhause» schön brav ihre Einkommenssteuern bezahlen! Die Antwort: «wenn wir’s ihnen nicht ermöglichen, tun es andere», beruht auf einer ethischen Grundhaltung, mit der ich mich als stolzer Schweizer nicht identifizieren möchte!

– Ist es nicht ein Hohn für unsere Demokratie, wenn in der Verfassung steht, jeder Bewohner unseres Landes müsse seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechend Steuern zahlen, hier niedergelassene reiche Ausländer, welche genau gleich unsere Infrastruktur in Anspruch nehmen, davon aber ausgenommen sind?

– Muss der in der Pauschalsteuer-Verordnung stehende Satz «Nach Aufwand besteuert werden nur (reiche) Ausländer, die in der Schweiz kein Einkommen erwerben», auf den ehrlichen Schweizer Bürger nicht zynisch wirken, wenn Multimilliardäre wie V. Vekselberg (der immer mehr grosse Schweizer Firmen aufkauft und damit viel Einkommen erwirtschaftet) bei uns nur mit einer läppischen PS-Steuer von wenigen hunderttausend Franken belastet werden? Im «börsenkodierten Online-Zeitalter» ist es offenbar möglich, in der Schweiz mehrstellige Millionenbeträge zu «verdienen», ohne «erwerbstätig» zu sein!

Ich habe Verständnis und Mitgefühl für Arbeitsverlust-Ängste. Jeder Arbeitsplatzverlust (durch was auch immer verursacht) ist einer zu viel. Wenn Herr Wanzenried im Fernsehen klagt, er habe fast unter Tränen Mitarbeiter entlassen müssen, gleichzeitig aber Dutzende (wenn nicht gar Hundertschaften) von Bauarbeitern täglich aus den Regionen Interlaken, Spiez, Thun und Unterland ins Saanenland fahren, weil das einheimische Baugewerbe nur einen Bruchteil dessen zu bewältigen vermag, was die Immobilienhändler um des schnellen Geldes willen fordern, stellt sich die Frage, wo da regionale Nachhaltigkeit und Arbeitsplatz-Koordination bleiben! Ist es glaubwürdig, wenn Saaner Wirtschaftsführer jammern, das Unterland mache ihren Standort kaputt, sie selber aber die Arbeit, die sie zugunsten des einheimischen Gewerbes zurückstellen und für «schlechtere Zeiten» aufsparen müssten, vorzeitig dorthin «auslagern»?

Massiv unterschätzt wird in dieser Angelegenheit zweifellos die Bedeutung von Image-Verlust bzw. -Gewinn. Auch wenn das Geld weiterhin die Welt regiert, immer mehr Menschen reagieren heute sensibel auf Dreckgeld oder steuerliche Ungerechtigkeiten. Es ist längst ein offenes Geheimnis, dass stark von Pauschalierten besiedelte Orte als besonders anfällig für Geldwäscherei wahrgenommen werden. Und es kommt sicher auch nicht von ungefähr, dass sich Vertreter dieser Regionen besonders vehement dagegen wehrten, den Immobilienhandel dem Geldwäschereigesetz zu unterstellen. Wie schon beim Bankgeheimnis, arbeitet die Zeit auch gegen die Pauschalbesteuerung. Ihre Abschaffung wird nur noch eine Frage der Zeit sein. Beim Bankgeheimnis hatten auch die grössten Gegner vor 15 Jahren nie damit gerechnet, dass dieses schon 2012 bei uns für Ausländer faktisch ausser Kraft sein würde. Es waren nicht die bösen Linken, die es zu Fall brachten, es war nur die Vergangenheit, die uns eingeholt hat. Heute wünschten sich viele (bürgerliche) Politiker und Wirtschaftsfachleute, wir hätten die Warnzeichen rechtzeitig ernst genommen und das Bankgeheimnis freiwillig abgeschafft, bevor wir es auf Druck von aussen tun mussten. Wir hätten uns damit viel Ärger, Bussengeld und Image-Verlust sparen können.

Praktisch jede Veränderung und Umstrukturierung tut irgendwo weh. Ich bin aber überzeugt, der Mut zur Abschaffung der Pauschalsteuer könnte uns international einen Image-Gewinn bringen, der den dadurch entstandenen Schaden mittelfristig mehr als nur kompensieren würde. Vielleicht kommen die heute noch PS-Befürworter in zehn Jahren zu ähnlichen Erkenntnissen. Ich möchte unseren Enkeln und Urenkeln eine Schweiz hinterlassen können, die nicht bloss als von egoistischen Materialisten besiedelte Insel wahrgenommen wird, sondern unsere Fahne im Sinn und Geist von Bürgerinnen und Bürgern wie Henri Dunant, Paul Grüninger, Lotti Latrous usw. hochhält und in die Welt hinaus trägt!

Erstellt am: 27.11.2014

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare

Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Interessante Artikel