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Zur aktuellen Flüchtlingsfrage

Antwort eines alten Stammgastes auf den Leserbrief von Jakob Trachsel in der Nr. 36 vom 3. September.

Von Jakob Müller, Beringen
(Stammgast an der Lenk seit 1997)

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Ich habe mich mehrfach, erstmals 1956, in der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen engagiert; und als Historiker kenne ich die relevanten Fakten und Zusammenhänge verhältnismässig gut:

1. Es gibt gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, dass allenfalls von sehr wenigen Einzelfällen abgesehen – unter den Flüchtlingen militante Islamisten sind, die unter diesem Deckmantel zur Destabilisierung Europas einzusickern versuchen. Dafür gäbe es für sie günstigere, ungefährlichere Wege. Und diese Extremisten wollen in ihrer Heimat gegen starke einheimische Gegenkräfte – ihr rigoros islamisches (und antiwestlich, aufgefasstes) – Kalifat errichten. Also kaum etwas von «trojanischem Pferd».

2. Alle Berichte unabhängiger Aktiver oder Beobachter in der Krisenregion bestätigen: Auch heute noch und in absehbarer Zeit sind in Syrien und im Irak Hunderttausende als Folge der grausamen Bürgerkriege von schwerer Verletzung, Krankheit oder Tod bedroht oder dadurch schon zerrissen. Deshalb fliehen sie – als letzter Ausweg aus unerträglicher Situation.

3. Anscheinend meint Trachsel, man sollte die Flüchtlinge in den angrenzenden Ländern, vor allem Libanon und Jordanien, international besser unterstützen, damit mehr Flüchtlinge dort verbleiben können. – In dieser gewaltigen Aufgabe geschieht schon sehr viel; doch darüber ist zu diskutieren; aber wer immer das fordert, auch bei uns, müsste dann dazu in dieser oder jener Form bereit sein!

Nun gibt es aber unter den schwer Bedrohten, wie unter den Millionen, die schon in den Libanon, Jordanien, die Türkei und die autonomen Kurdengebiete geflohen sind, viele Einzelne, Familien, auch viele Kinder, welche derart traumatisiert, verletzt oder krank sind, dass eine – mehr oder weniger lange dauernde – Evakuation dringend ist. In absehbarer Zeit ist Europa die einzige reale Möglichkeit für eine solche Rettung. Diese Situation ist in mehrfacher Hinsicht sehr schwierig und zum Teil problematisch, sowohl für die Flüchtlinge, als auch die aufnehmenden Länder. Aber diese Realität ist so und nicht anders. Entweder sich stellen oder ausweichen.

4. Sehr unschön und ungerecht ist, dass Trachsel von «Samariter spielen mit fremdem Geld» schreibt. Entscheidend ist, dass Menschen, welcher Herkunft immer, in der Lage und bereit sind, sich – oft unter grossen Gefahren – in der Flüchtlingshilfe zu engagieren.

5. Schliesslich: Wenn er die Identität Europas und auch der Schweiz durch diese Flüchtlinge und durch die angebliche Infiltration von Islamisten unter den Flüchtlingen bedroht sieht, zeigt sich mir darin vor allem dies: Trachsel scheint bezüglich der ethisch-moralischen Substanz auch in unseren Landen (und seiner selbst?) sehr unsicher zu sein – ob diese Substanz nun mehr in einer humani-stisch-weltlichen und/oder mehr in einer christlichen Grundhaltung begründet ist.

Erstellt am: 17.09.2015

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