Polit-Treff Därstetten

Roger Köppel und Claude Longchamp im Simmentaler Albisgüetli

Der SVP Verbund Oberwil, Därstetten-Weissenburg, Erlenbach und Diemtigtal hatte diesmal zwei «Nicht-SVP-Mitglieder» zum seinem Polit-Treff in die Turnhalle Därstetten geladen. Weltwoche-Verleger Roger Köppel und Politologe Claude Longchamp präsentierten vor gegen 200 Personen ihre Sichtweise zum Thema «Schweiz – wie weiter?». Köppel sprach sich für mehr Streitkultur aus; Longchamps hofft auf Konsens-Fähigkeit in der Politik.

Roger Köppel und Claude Longchamp im Simmentaler Albisgüetli

Die SVP-Partei-Präsidenten Hans Wenger, Diemtigen; Michael Blatti, Oberwil; Thomas Knutti, Därstetten-Weissenburg und Walter Schütz Erlenbach legten Weltwoche Verleger Roger Köppel mit ihrem Stammtisch-Sketch zur Affäre Hildebrand einen Steilpass vor.

Den Organisatoren des SVP-Amtsverbunds um Grossrat Thomas Knutti landeten mit der Verpflichtung der beiden Referenten Roger Köppel und Claude Longchamp einmal mehr einen Volltreffer. Sowohl Köppel als auch Longchamp wiesen in ihren Eintrittsreferaten auf ihre katholische Herkunft (beide stammen aus CVP-Familien) und auf ihre gute Beziehung und auf die grosse Liebe zum Berggebiet hin.

Das waren dann aber auch schon die einzigen Gemeinsamkeiten der beiden «Kontrahenten». Zum aktuellen Zustand der Schweizer Politik und zum «wie weiter» äusserten sie sich ziemlich kontrovers.

Roger Köppel: Vieles im Argen

Roger Köppel legte grossen Wert auf die Feststellung, dass er kein SVP-Mitglied sei und sein Blatt nicht von Herrliberg finanziert oder beherrscht werde. Trotzdem hatte er mit seinen Äusserungen in Därstetten ein Heimspiel, wie der kräftige Applaus der BesucherInnen zeigte. Seine Statements zur aktuellen Lage der Schweizer Politik waren geprägt von Kritik an Bundesbern (der Bundesrat passt das Land zu stark ans Ausland an und verteidigt die schweizerische Rechtsordnung gegenüber EU, OECD und USA viel zu wenig) und von Vorwürfen gegenüber dem Sozialstaat (nicht nur die Zürcher Sozialhilfe ist eine Katastrophe). In der Folge machte er Vorbehalte zur aktuellen Form der Demokratie (sie sollte vermehrt auf dem institutionellen Misstrauen gegenüber dem Staat basieren) und kritisierte die derzeit praktizierte Neutralität (diese wird zurzeit sträflich vernachlässigt).

Die Kritik der Medien gegenüber der SVP und der Weltwoche empfindet Köppel als Häme. «Das verwundert mich angesichts der Gesinnung der Journalisten nicht, denn es ist erwiesen, dass 93% aller Journalisten dem links-grünen Lager zuzuordnen sind», brachte es der Verleger der Weltwoche auf (s)einen Punkt.

Claude Longchamp:

Zufrieden mit dem Bundesrat

Claude Longchamp hatte vorerst die Lacher auf seiner Seite. Infolge eines Versprechers bei der Begrüssung war er als Vertreter der Schweizerischen Genossenschaft für Schlachtvieh- und Fleischversorgung (GSF), statt als GFS-Leiter (Schweizerischen Gesellschaft für praktische Sozialforschung) vorgestellt worden. Longchamp liess sich zwar in Därstetten nicht zur Schlachtbank führen, hatte aber in der Folge nicht mehr viel zu lachen. Der Politologe erwähnte die Ereignisse nach dem Dreissigjährigen Krieg (1618–48) und nach dem anschliessenden Bauernkrieg (1653): «Es brauchte und braucht immer Leute, die neben den Heissspornen versöhnlich wirken». Longchamp bedauert das aktuelle innenpolitische Hickhack: «Je mehr wir uns nur mit uns selber beschäftigen, je weniger haben wir international zu sagen». Er kann mit der aktuelle Sitzverteilung im Bundesrat leben: «Konkordanz ist mehr als eine parteipolitisch ausgewogene Zusammensetzung». Dann plädierte er für einen besseren Umgang in der Politik: «Die SVP – als grösste Minderheit in der Schweiz – sollte respektvoller mit den andersdenkenden Minderheiten umgehen». Den aktuellen Bundesrat und die Verwaltung verteidigte Longchamp mit Einschränkungen: «Der Bundesrat macht keinen schlechten Job – mit der Ausnahme, dass es nicht gut ist, wenn alle Aussenminister sein möchten. Die Verwaltung arbeitet effizient, neutral und gut, aber sie ist zu mächtig.» Seine Thesen zur Lage der Schweizer Politik kamen insgesamt «netter» und weniger kritisch daher.

Die Zustimmung aus dem Publikum blieb verhalten. Der Applaus war eher von «höflicher» Lautstärke.

Kein Coca-Cola-Wettbwerb

Nach dem Auftakt durch das Schwyzer-Örgeliquartett hatten die Präsidenten der mitorganisierenden Ortsparteien dem Weltwoche-Verleger mit einem Sketch zum Thema «Nationalbank-Präsident Hildebrand» einen Steilpass vorgelegt: Roger Köppel nahm diesen gerne an und verglich die Devisenhändel des SNB-Präsidenten, bzw. seiner Gattin, mit einem Coca-Cola- und anderen Wettbewerben: «Firmen-MitarbeiterInnen ist die Teilnahme nicht erlaubt!»

Auf die Frage von Moderator, Grossrat Thomas Knutti: «Braucht es die Bergbevölkerung?», gab sich Köppel dezidiert: «Ja, wenn nur die Städte entscheiden würden, wären wir längst in der EU.» Weniger zurückhaltend betreffend der Öffnung zum Ausland gab sich Longchamp: «Wir sind nicht mehr die putzigen Kleinen von einst, die man gern hat. Man greift uns von überall her an. Die Schweiz als international vernetztes Land ist ein Teil dieser Welt. Wir sollten unsere Kenntnisse und Erfahrungen aktiver hinaustragen und als Vorbild agieren».

Turnhalle statt Schützenhaus

Man darf dem Niedersimmentaler SVP-Verbund attestieren, dass auch der diesjährige Polit-Treff zu einer gut besuchten und spannenden Auseinandersetzung geworden ist. Därstetten war wiederum Treffpunkt der Oberländer Polit-Prominenz. Unter den gegen 200 Personen befanden sich neben den Oberländer SVP-Nationalräten Erich von Siebenthal und Hans-Ruedi Wandfluh, verschiedene GrossrätInnen und zahlreiche lokale PolitikerInnen.

Ein Vergleich zum jährlichen Treffen der Zürcher-SVP im Schützenhaus am Uetliberg ist nicht von der Hand zu weisen. Das Treffen in der Turnhalle von Därstetten entwickelt sich immer mehr zum Albis-Güetli-Anlass des Berner Oberlandes!

Ernst Hodel