Ernstes und Heiteres aus 400 Jahren Thermalgeschichte

Lasst Hören und Schmecken aus alter Zeit

Beim Betreten des Agensteinhauses, beim Blick auf die gedeckten Tische und die vornehmen Bediensteten merkten die Besucher bald, dass es darum ging, sich für den Abend kurz um einige Jahrhunderte zurückzuversetzen.

Lasst Hören und Schmecken aus alter Zeit

Fleissige, adrette und nette Bedienstete, verantwortlich für das kulinarische Wohl, umringen die Erzählerin Maja Lörtscher (rechts), die den prosaischen Teil interessant und vielseitig gestaltete.

Maja Lörtscher, verantwortlich für die prosaischen Köstlichkeiten, stieg zu Beginn des Abends mit der Sage «Wie der Weissenburger Gesundbrunnen gefunden wurde» ein. Der Freiherr von Weissenburg hatte eine Tochter namens Kunigund. Diese wollte er einem Hans von Grimmenstein geben. Schon bald sollte die Hochzeit mit dem strengen und harten Mann stattfinden. Kunigund wollte aber lieber sterben, als die Gemahlin des Grimmenstein zu werden. Sie liebte den Mönch Bruder Gervasius. Die beiden mussten fliehen und lebten in einer Bergschlucht in einem Hüttlein. Als Kunigund später schwer krank wurde, fand ihr Gemahl Gervasius ein Brünnlein, das aus der Schlucht hervorquoll. Das warme Wasser mit dem besonderen Geschmack rettete seine Gemahlin von der Krankheit. Gervasius spendete jedermann davon. Viele profitierten später davon zur Linderung ihrer Schmerzen.

Heilwasser aus der Quelle

Und so schenkten die vier vornehmen Bediensteten im ersten Gang des Menüs den anwesenden Gästen das Heilwasser aus der Quelle ein.

Der zweite Gang bestand aus einer leckeren Mehlsuppe. Diese war schwierig zum Zubereiten und vor allem gab es sie damals morgens und abends. Auch der Ziegenkäse, der damals als Hauptnahrungsmittel galt, schmeckte den Besuchern. Der zubereitete Russische Salat und Schinken, erinnerte an die Leute aus ganz Europa bis nach Russland, die das Weissenburgbad besuchten.

Gesunder Lebensstil

Eine Frau Gertsch aus Därstetten soll damals alle drei Tage Erdbeeren für die Gäste ins Bad geliefert haben und dies bis zum Monat September. So beauftragte Maja Lörtscher eine ihrer treuen, ergebenen und fleissigen Bediensteten, Erdbeeren zu suchen. Sie wurde fündig und auf dem feinen Birchermüesli lockte für jeden Gast eine Erdbeere zum Geniessen.

Dr. Bircher, der damals auch schon einen Namen hatte, brachte das gesunde Birchermüesli auf den Speiseplan. Eine Kochlehrerin stellte erstaunt fest, dass sich in den mehreren hundert Jahren bei der Ernährungslehre kaum etwas geändert hat. Diese entspricht nämlich der heutigen Ernährungspyramide, die in Kochbüchern und von Ärzten empfohlen wird.

Seit 1880 wurden auch heisse Schokolade und Café getrunken. Gleichzeitig mit einer Wasserkur galten diese Getränke jedoch als verpönt. Wein musste man damals selber mitnehmen oder aus dem Keller holen.

Vielseitige Thematik

Natürlich wurde an diesem Abend noch viel erzählt über das Weissenburgbad. Maja Lörtscher schöpfte aus ihrem reichen Wissensschatz. Ein Tagesablauf der Kurgäste wurde den Besuchern des Agensteinhauses vor Augen gestellt. 14-stündige Fussmärsche wurden in Kauf genommen. Ab dem Jahre 1845 fuhr dreimal eine Kutsche von Weissenburg nach Saanen hin und zurück.

Eine Transportmöglichkeit war ebenfalls, «uf em Rääf» ins Bad getragen zu werden. Hierzu las die langjährige, ehemalige Lehrerin eine amüsante Geschichte aus Sunn- und Schattsyte» von Emil Balmer (1927).

Die furchterregenden Felswände wurden auch immer wieder beschrieben. Deshalb wichtig: Führungen im Agensteinhaus zu dieser vielseitigen Thematik werden noch bis Mitte Oktober durchgeführt.

Esther Matter