Gedenkfeier zu Ehren von Fritz Genner, der vor 60 Jahren mit einem Venom abstürzte

Beim Wegflug abgekippt (oder: Gegen den Schatten des Vergessens)

Vergangenen Samstag, 27. Oktober, wurde auf dem Flugplatz St. Stephan eine Gedenkfeier zu Ehren des vor 60 Jahren tödlich verunfallten Militärpiloten Hauptmann Fritz Genner durchgeführt. Im Mattendörfli wurde anschliessend ein Gedenkstein enthüllt, der fortan an den tragischen Venom-Absturz im Stockhaltewald erinnert.

Am 23. Oktober 1958 blieb um 14.31 Uhr in Matten die Zeit für einen Augenblick stehen und die Dorfbewohner wurden Zeugen eines Flugunfalls, der sich bei vielen bis heute als eindrückliche Erinnerung eingebrannt hat. Hauptmann Fritz Genner hatte mit zwei weiteren Piloten den Auftrag, nach einem zu Ende gehenden WK sechs Venoms in zwei Flügen vom Flugplatz St. Stephan nach Sion zu überführen. «Nach dem Start taleinwärts Richtung Lenk stieg das Flugzeug ziemlich steil weg, um auf einer Höhe von ungefähr 150 Metern über Boden in eine Linkskurve überzugehen, die mit einer Neigung von etwa 60 bis 70 Grad geflogen wurde. Nachdem sich der Kampfjet auf diese Weise quer zur Tallängsachse befand, kippte er plötzlich nach rechts aussen ab und stiess in einer Falllinie von etwa 15 Grad in den bewaldeten Steilhang oberhalb von Matten. Der verheiratete Pilot erlitt augenblicklich den Tod, der Venom wurde vollständig zerstört», beschrieb Autor Peter Brotschi in seinem Buch «Gebrochene Flügel», das die Flugunfälle der Schweizer Luftwaffe von 1914 bis 2006 umfasst, das unfassbare Ereignis.

Erinnerung im Gedächtnis eingebranntBeat Radelfinger begrüsste als Präsident des Huntervereins Obersimmental und als Initiant dieser Gedenkfeier vergangenen Samstag 18 Familienangehörige des verunfallten Fliegerpiloten Fritz Genner sowie weitere geladene Gäste im Hunterhangar auf dem Flugplatz St. Stephan. In eindrücklichen Worten schilderte er den Flugunfall, der vor genau 60 Jahren die Gemeinde St. Stephan erschütterte und gab seiner Motivation zu dieser Gedenkfeier Ausdruck: «Seit Jahren ist es Brauch, dass verunglückten Militärpiloten eine Gedenkstätte gesetzt wird. So ist es nach 60 Jahren an der Zeit, dass auch Hauptmann Fritz Genner seine Gedenkstätte erhält.»

Die Zeitzeugen Manfred Lempen und Herbert Haari aus Matten waren dazumal neunjährig und erlebten das Unglück in unmittelbarer Nähe: Während Manfred krankheitshalber zu Hause das Bett hütete, war Herbert Haari beim Sammelbecken und beobachtete das Unglück, das von ohrenbetäubendem Lärm und Feuer begleitet war: «Ich eilte sofort nach Hause und hatte riesige Angst, dass auch unser Haus in Flammen stehen könnte. Nach dem Absturz gab es noch einige ohrenbetäubende Explosionen, vermutlich verursacht durch die verschiedenen Tanks des Venoms.»

Walter Minder absolvierte in dieser Zeit in St. Stephan seinen ersten WK als Feldweibel und war zusammen mit dem damaligen Flugplatzchef Peter Perren der Erste auf der Unfallstelle im Stockhaltewald oberhalb des Mattendörflis: «Wir haben das ganze Prozedere hautnah miterlebt. Hauptmann Genner startete Richtung Lenk, stieg extrem in die Höhe und wollte noch im engen Talkessel kehren. Der dadurch verursachte Geschwindigkeitsverlust kippte den Venom und liess ihn schliesslich im Stockhaltewald abstürzen. Peter und ich packten zwei Feuerlöscher in einen Jeep und eilten Richtung Unfallstelle. Zuerst suchten wir den Piloten in den Flugzeugtrümmern, plötzlich fanden wir ihn rund zwanzig Meter neben den Trümmern liegend und sahen sofort, dass er tot war. Alles ging vermutlich so schnell, dass er nicht einmal mehr den Schleudersitz betätigen konnte. Das freigewordene Kerosin verspritzte, explodierte und der umliegende Wald stand in Flammen». Diese Erinnerung ist seither in Minders Gedächtnis tief eingebrannt. Zwei Jahre später übernahm er das Amt als Flugplatzchef auf dem Flugplatz St. Stephan selber und hat seither dessen Geschichte akribisch mitverfolgt und bildlich festgehalten.

Gedenkfeier auf demDorfplatzMattenRund 400 Meter von der eigentlichen Absturzstelle entfernt, wurde vergangenen Samstag zu Ehren von Fritz Genner ein Gedenkstein gesetzt. Den beiden Vorstandsmitgliedern des Huntervereins Obersimmental, Hansruedi Schläppi (heutiger Flugplatzchef) sowie Matthias Minnig stand die Ehre zu, den mit einer Schweizer Fahne verhüllten Gedenkstein auf dem Dorfplatz mitten in Matten zu enthüllen.

Die beiden langjährigen Venom-Piloten Ueli Leutert und Hanspeter «Goliath» Reusser – ebenfalls Piloten der legendären Hunterflugtage in St. Stephan – legten zu Ehren ihres Pilotenkameraden beim Gedenkstein ein Gesteck nieder. Und Hanspeter Ziörjen gab der Gedenkfeier mit besinnlichen Alphornklängen einen würdigen Rahmen.

Neffe Klaus Genner aus Gunten bedankte sich im Namen der 18 anwesenden Angehörigen – darunter auch Tochter Vreni und Sohn Peter des Verunfallten – für die würdige Gedenkfeier für seinen Onkel: «Sein Venom-Absturz mit Todesfolge hat uns Verwandte sehr geschmerzt. Aber unsere Dankbarkeit für den heutigen Gedenktag hat unsere Erinnerungen in stille Freude umgewandelt. Das Vergangene wird mit innerer Kraft getragen.» Im Namen der Familie Genner, welche von der zweiten bis zur fünften Generation anwesend war, dankte er für die Durchführung des Gedenktages: «Lob und Dank unserer Familie geht insbesondere an Beat Radelfinger und seine treuen Kameraden, die in den heutigen Tag sehr viel Herzblut investiert haben. Ich bin im Namen der Familie, aber auch persönlich überzeugt, dass Fritz Genner auch nach 60 Jahren dieses Andenken verdient hat.» Klaus Genner zeigte den Anwesenden sein ganz persönliches Erinnerungsstück, das er an diesen Unfall hat. «Einen Tag nachdem wir via Radio von seinem Absturz vernommen hatten, fuhr ich mit meinem Vater mit dem Militärvelo von Thun nach St. Stephan, kraxelte den Hang hoch an die Unfallstelle, bückte mich und las ein Stücklein von diesem Venom auf. Dieses habe ich nun 60 Jahre gehütet und es hat mir Glück gebracht. Dieses Stücklein von verschmolzenem Venom-Metall wechselt heute den Besitzer und bringt Peter hoffentlich ebensoviel Glück wie mir.» Mit diesen Worten überreichte er es in einem emotionalen Moment dem Sohn von Fritz Genner.

Am 23. Oktober 1958 liess Fritz Genner im Einsatz für die Schweizer Luftwaffe sein Leben, vier Tage später wurde er in seiner Heimat beigesetzt. Genau 60 Jahre später erinnerten sich betroffene Menschen dieses Mannes, der im Alter von 44 Jahren im Obersimmental ein berührendes Kapitel der Schweizer Militäraviatik schrieb. «Zur Geschichte der Luftfahrt gehört leider auch die Geschichte der Flugunfälle dazu. Wir als Piloten sind uns bewusst, dass das Pilotencorps tagtäglich gewisse Risiken eingeht, die wir allerdings zu minimieren versuchen. In der 104-jährigen Geschichte sind über 2350 Piloten brevetiert worden, davon haben bisher 280 Piloten bei der Schweizer Luftwaffe das Leben gelassen; einer davon war Fritz Genner. Er ist eigentlich nicht gestorben, sondern gestartet und nicht mehr gelandet», so Markus Thöni, Oberst im Generalstab und anwesender Vertreter der Luftwaffe in seinen bewegenden Worten zur im Regen stehenden Gesellschaft und verdankte so den würdigen Gedenkakt auf private Initiative.