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Die Hilfsmittel einer blinden Physiotherapeutin bei der Arbeit und in der Freizeit

Seit April 2007 arbeitet Susanne Gasser als Physiotherapeutin in Zweisimmen. In diesem Beitrag berichtet sie über ihre Hilfsmittel bei der Arbeit und in der Freizeit. Im ersten Teil berichtete sie über den Alltag.

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Die Hilfsmittel einer blinden Physiotherapeutin bei der Arbeit und in der Freizeit

Weisse, erhobene Linien ermöglichen ein sicheres Fortbewegen im öffentlichen Raum. Susanne Gasser am Bahnhof in Thun.

Welches ist Ihr wichtigstes Hilfsmittel?

Mein wichtigstes Hilfsmittel ist der Langstock, also der weisse Blindenstock. Ohne ihn könnte ich meine Wohnung nicht mehr alleine verlassen. Wenn ich draussen unterwegs bin, verwende ich verschiedene Techniken, um mich zurecht zu finden. Einerseits kann ich mich auf mein Gefühl von Richtung und Distanz und auf mein Wissen von z.B. vorhandenen Stufen und Pfosten verlassen. Dann helfen Geräusche, Bodenunebenheiten und Bodenbeschaffenheiten unter den Füssen und mein verlängerter Finger, der Stock. Ihn kann ich an Kanten entlang ziehen. Er wird von mir in Zäune und Böschungen gestupst und er informiert mich so über meinen genauen Standort. Dies alles funktioniert nur solange ich mich gut auskenne. Natürlich ist der Stock auch dazu da, mich vor Hindernissen zu warnen, dafür gehe ich aber meist zu schnell.

Hat der Blindenstock auch eine Warnfunktion?

Am Stock erkennen die Leute, dass ich nicht sehe und sie können ausweichen oder warnen. Autofahrer müssten(!) auch dann anhalten, wenn sie sehen, dass jemand mit Blindenstock über eine Strasse will, auch wenn da kein Fussgänger-Streifen ist. Ich benötige sehr viel Konzentration draussen herumzulaufen, auch wenn es der übliche Arbeitsweg ist. Einmal etwas unaufmerksam und ich weiss nicht mehr wo ich bin, ich biege etwas zu früh ab und bin irgendwo, wo ich nicht sein will. Ist hier die Strasse drei Grad abwärts geneigt, ja, dann bin ich richtig.

Welche Einflüsse hat das Wetter und die Jahreszeiten?

Höre ich den Brunnen plätschern? Wenn nein, könnte es auch Herbst sein und er wurde abgeschaltet und ich muss mich anderweitig orientieren. Eine grosse Umstellung ist auch der erste Schnee, da er vieles zudeckt. Regen hilft, denn man hört, worauf er fällt oder gar von Dächern plätschert. Wind und Lärm erschweren das Zurechtfinden.

In Bahnhöfen dürfte es nicht einfach sein?

Die weissen, erhobenen Leitlinien fühlen wir Blinde mit dem Stock und gehen an ihnen entlang zu Unterführungen oder Ausgängen. Auch sind bei Unterführungen an den Geländern die Gleisnummern mit erhobener Normalschrift und Punktschrift angeschrieben. Allerdings habe ich im Simmental noch keine solchen Beschriftungen gefunden, auch in Spiez fehlen sie noch.

Halten Sie auch einen Blindenhund?

Ein Blindenführhund vereinfacht die Mobilität sehr, man kommt sicherer, schneller und mit viel weniger Aufwand zum Ziel. Meine Hündin, die ich grossgezogen habe, ist zur Zeit in der Ausbildung zum Blindenführhund. Ich hoffe sehr, dass sie die Ausbildung schaffen wird!

Welche Hilfsmittel brauchen Sie bei der Arbeit?

Für die Arbeit mit den Patienten als Physiotherapeutin brauche ich keine Hilfsmittel. Die Bedienung des Ultraschallgeräts kenne ich, wie die Waschmaschine, auswendig und ansonsten sehen meine Hände. Bei der Büroarbeit nutze ich einen normalen Laptop, auf welchem eine Sprachausgabe installiert ist. Das Gerät sagt mir jeden Buchstaben den ich eintippe und liest mir die Texte und das Menüband etc. vor.

Wie erledigen Sie die Briefpost?

Um meine Briefpost auf Papier lesen zu können nutze ich einen Scanner und eine Texterkennungssoftware. Bilder und Grafiken werden gelöscht und nicht erwähnt, wie auch Handschriften! Auf meinem Bürotisch steht ein Lesegerät. Wenn ich einen Text auf Papier unter die Kamera lege, kann ich den Text sehr stark vergrössern, Buchstaben bis 10 cm gross. Nur leider nützt mir dies heute nicht mehr viel, ich benötige für das Erkennen eines einzelnen Buchstabens teilweise eine Minute und habe danach Konzentrations-Kopfschmerzen. Es hilft aber noch um zu sehen, auf welcher Seite das Blatt bedruckt ist.

Wie halten Sie es mit dem Internet?

Im Internet zu navigieren braucht etwas Übung und wenn man die Seite nicht kennt, auch einiges an Zeit. Leider sind längst nicht alle Webseiten barrierefrei, d.h. wenn der Text nur als Bild dargestellt ist, sagt die Sprachausgabe irgendwelche unverständliche Zeichen. Auch PDF-Dokumente sind oft schwer lesbar.

Gibt es andere elektronische Hilfsmittel?

Das iPhone und der Milestone sind zwei Hilfsmittel, die ich in der Freizeit und im Beruf verwende. Der Milestone ist ein sehr vielseitiges, extra für Blinde gebautes, kleines Gerät, mit dem ich Hörbücher höre, Notizen aufnehme. Auch sind meine Ordner mit Strichcodeähnlichen Etiketten beklebt und wenn ich den Milestone an die Etikette halte, sagt es mir, welche Themen in dem Ordner abgelegt sind. Ist der Pullover rot oder blau? Ein Aufsatz auf den Milestone gesteckt und das Farberkennungsgerät sagt: «Blau Richtung grün», was aber nicht hilft für gemusterte Dinge. Das iPhone hat eine integrierte Sprachausgabe, bei jedem iPhone lässt sich diese einschalten und Blinde können es bedienen. (Bitte nicht versuchen, die Bedienung ändert sich drastisch!)

Gibt es Apps, .die Ihnen dienlich sind.

Ja, ich habe ein App, mit welchem ich Texte fotografieren kann und danach liest es mir vor, was es erkannt hat. Es ist natürlich nicht so gut wie der Scanner, doch dafür portabel und immer dabei. Auch verwende ich Navigations-Programme, die ich auf das iPhone geladen habe. Wenn Sie mich mit Kopfhörer im Ohr durch das Dorf gehen sehen, ist mein iPhone dabei, mir Infos ins Ohr zu flüstern. (Ich bin aber nach wie vor ansprechbar :-)

Nebst dem SMS lesen, Kontakte bearbeiten und natürlich telefonieren, habe ich den Fahrplan, das Telefonbuch, ein weiteres Notizsystem, eine Zeitung, die Aktionen der Einkaufsläden nun immer zugänglich! Es gibt bestimmt noch viele nützliche APPs – ich habe das iPhone noch nicht lange und bin mich noch immer am Weiterbilden.

Und wie sieht Ihre Freizeit aus?

Ich vermisse es sehr, keinen Hund zu haben! Denn ein Hund ist Begleitung beim Spazieren, Wandern, Langlaufen. Ein ausgebildeter Führhund wird mir dann auch wieder beim Joggen helfen, nebst allen anderen Erleichterungen. Doch ein «normaler» Haushund/Junghund hilft schon beim Wege finden, denn sie wissen sehr schnell, wo ich hin möchte. Bis in den Herbst werde ich ohne Hund auskommen müssen, vielleicht habe ich Glück und kann noch den einen oder anderen Hund ferienhalber hüten. So verbringe ich meine Zeit jetzt «nur» mit kleinen Spaziergängen, Hörbüchern, Weiterbildungen, meinen drei Vereinsvorstands-Tätigkeiten, mit der Arbeit an den beiden von mir betreuten Webseiten, und dem Organisieren von Familienfesten und natürlich dem Kochen und Haushalten.

Ich hätte einige Ideen/Wünsche zur Verschönerung meiner Freizeit, nur werde ich sie umsetzen können?

Erstellt am: 24.01.2013

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