Literarischer Herbst im Beinhaus Zweisimmen

Preisgekrönte Autoren lasen aus ihren Büchern

Bereits zum sechsten Mal fand während dem letzten Wochenende der Literarische Herbst Gstaad statt, ein Forum für zeitgenössische Literatur in der Region Obersimmental und Saanenland. Im übervollen Beinhaus Zweisimmen lasen am Freitagabend die drei Autoren Matthias Zschokke, Eugène und David Wagner aus ihren Werken. Keiner wie der andere: In Sprache, Form und Präsentation.

Preisgekrönte Autoren lasen aus ihren Büchern

Eugène, David Wagner und Matthias Zschokke lasen aus ihren Büchern vor.

Den Beginn machte Matthias Zschokke, in Bern geboren und teilweise auch aufgewachsen, lebt er seit über 30 Jahren in Berlin. Er schrieb zahlreiche, preisgekrönte Werke. In diesem Sommer erschien im Wallstein-Verlag sein neues Buch mit dem Titel «Die Wolken waren weiss und zogen da oben hin». Es ist die Geschichte eines Mannes, der in Berlin lebt und Roman heisst. Roman fällt es schwer, glücklich zu sein. Zu allem Leid hat er einen Freund ohne Lebensfreude und eine Mutter, die ebenfalls sterben will. Grosse Lust, ihnen dabei zu helfen, hat er nicht. Roman geht lieber Kaffeetrinken und schaut dem Leben zu. Treffend beschrieb Lucas Gisi den Protagonisten in seiner einleitenden Moderation: «Roman ist das, was viele an den anderen ärgert, nämlich alltäglich.» Matthias Zschokke schreibt und liest ohne Spektakel. Seine Sätze sind klar, ehrlich und deshalb auch unterhaltend komisch: «Wo ich lebe, fällt viel Regen. Der Himmel ist oft grau. Die Strassen sind so angelegt, dass Dauerwinde entstehen. Die meiste Zeit müssen sich die Einheimischen mit guter Kleidung schützen, gegen Nässe und Kälte. Sie können sich denken, dass dieses Klima nicht förderlich für die Freude am täglichen Leben ist. Das Herz wird angegriffen.»

Ein Schuh im Pays-d’Enhaut

Der im Waadtland lebende Autor Eugène ist in Rumänien geboren und kam als Kind in die Schweiz. Eugène schreibt über das Kleine im Leben. So auch in seinem Roman: «Ein unfassbares Land». Das Werk ist eine Sammlung von zwanzig Geschichten aus seiner Kindheit. Er schreibt über die Dinge, die in seinem Leben wegweisend waren. So ein Ding war auch der Schuh im Land da oben. Dies ist die Kurzgeschichte über einen Klassenausflug ins Pays-d’Enhaut. Schlecht ausgerüstet versucht Eugène, als Emigrant nicht aufzufallen. Was ihm trotz aller Mühe misslingt. Er verliert seinen rechten Turnschuh im Schlamm eines Wanderweges hoch über Château-d’Œx. Unterhaltend, gestenreich und leidenschaftlich beschrieben und gelesen vom Autor selber.

Geschichten aus dem Krankenhaus

«Das Krankenhaus ist ein Geschichtenhaus» schreibt David Wagner in seinem Buch «Leben». Das Buch erschien 2013 und wurde mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Es spielt im Krankhaus und erzählt Patientengeschichten. Vor allem aber erzählt es die Geschichte von David Wagner selbst. Seit seiner Kindheit leidet er an einer Autoimmunkrankheit. Der Schriftsteller lebt inzwischen mit einer neuen Leber. Seinem Buch «Leben» hat er den Satz vorangestellt: «Alles war genauso und doch ganz anders.» Sein Werk ist ein Protokoll über seine Krankengeschichte und den Alltag im Krankenhaus. Wagners Sprache ist präzis, direkt, schnörkellos, bescheiden aber nie langweilig.

Die Veranstalter wurden vom Publikumsaufmarsch positiv überrascht. Einige Zuhörer sassen gar am Boden. Man nahm es gerne auf sich.

Tobias König