Zweisimmner Pfarrer auf ostfriesischer Kanzel

Für zwei Monate ist Holger Finze-Michaelsen aus Zweisimmen im Berner Oberland in der ostfriesischen Stadt Emden.

Ein Vierteljahrhundert ist Pfarrer Holger Finze-Michaelsen (49) in der Schweiz tätig. Und das Schweizer-Deutsch beherrscht er mit dem nötigen Zungenschlag. Dabei merkt man kaum noch, dass der reformierte Theologe im ostfriesischen Leezdorf aufgewachsen ist – und zwar in einem lutherischen Haus.

Seine Studienzeit brachte ihn in näheren Kontakt mit den Schriften des reformierten Schweizer Theologen Karl Barth (1886–1968). «Da spürte ich, dass ich in der Tiefe reformiert war», sagt Finze-Michaelsen. Er ging nach Basel, edierte Schriften von Barth und spürte: «Ich bin bei ihm hängen geblieben.»

Es war Anfang der 80er Jahre, eine Zeit, in der Theologen in der Schweiz dringend gesucht waren. So ging er in den Kanton Graubünden, in eine Berggemeinde, und spürte viele Gemeinsamkeiten mit der ostfriesischen Heimat. Vor allem sei der Menschenschlag sehr ähnlich.

17 Jahre fühlte sich der Pfarrer, der mit einer Theologin, die gebürtig aus Petkum stammt, verheiratet ist, wohl. Und das, obwohl die Arbeit in einer bergigen Flächengemeinde nicht einfach, die Zusatzbelastung durch 14 Stunden Religionsunterricht in der Woche gross war. Dann wechselte das Ehepaar in den Kanton Bern. In Zweisimmen im Berner Oberland fand sich eine neue Heimat, zwar auch in der Schweiz, aber doch ganz anders als zuvor, jedoch ganz anders als zuvor.. «Jeder Kanton hat eigene reformierte Kirchen von sehr eigenem Charakter», sagt Finze-Michaelsen. «Kantönli-Geischt» nenne man das, schmunzelt Finze-Michaelsen.

Insgesamt 20 verschiedene reformierte Kirchen gibt es in der Schweiz, die Berner ist mit rund 900 000 Gemeindegliedern die grösste.

Als Finze-Michaelsen beschloss, ein Studiersemester einzulegen, wollte er erstmals eine reformierte deutsche Gemeinde kennen lernen. Emden bot sich an, weil er Kontakte zur Pastorin Etta Züchner hatte. Eigentlich wollte der Pfarrer zwei Monate hospitieren, doch schnell ergab es sich, dass er gebeten wurde, auch zu predigen. Jetzt ist er als Gast an jedem Sonntag von einer anderen Kanzel zu hören. Am gestrigen Sonntag predigte er in der Kirche Neue Heimat, die Woche drauf ist er in der Neuen Kirche zu hören.

Registriert er Unterschiede zwischen den Reformierten dort und hier? «Na ja, da gibt es schon einiges, was mir aufgefallen ist.» Die Zentrierung der Gemeinde auf den Pastor, zum Beispiel. «Das ist in der Schweiz anders.» Da sei der Pfarrer auch nicht automatisch Vorsitzender des Kirchenrates. Das sei in der Schweiz immer die Aufgabe eines Nicht-Theologen. Und auch die ausführlichen Abkündigung gebe es nicht – «um mal ein Detail zu benennen». Doch insgesamt habe ihm der bisher gemachte Einblick in die Arbeit klar gemacht, dass hier wie dort nur mit Wasser gekocht werde.

Wie erklärt er sich die Tatsache, dass viele reformierte Theologen aus Deutschland in die Schweiz auswandern. Warum wandern so viele reformierte Theologen aus Deutschland in die Schweiz aus? Bei der aktuellen kirchenpolitischen Situation in Deutschland sei das ja verständlich, meint der Theologe. Andererseits habe die Schweiz die Nachwuchsausbildung vernachlässigt. «Nur noch ein Drittel der Theologie-Studenten kommen aus der Schweiz.» In Graubünden seien mittlerweile 50 Prozent der Theologen Deutsche. Werde eine Schweizer Pfarrstelle ausgeschrieben, gebe es zehn Bewerbungen aus der Schweiz, aber 20 aus Deutschland.

Nach seinem zweimonatigen Aufenthalt in Emden, will sich Holger Finze-Michaelsen zwei Monate mit den Forschungen zu einem Buch beschäftigten, an dem er seit gut einem Jahr schreibt. Es geht um einen Kirchenführer in Taschenbuch-Format, in dem er die historischen Kirchen des Kantons vorstellen wird – Forschungsarbeit, die ihn regelmässig auch in die Johannes a Lasco Bibliothek in Emden führt.

Hinter der Bibliothek liegt die Schweizer Kirche – und die wurde nach dem Weltkrieg von den Berner Gemeinden gestiftet, weshalb das Wappentier der Stadt wie auch des Kantons Bern, der Berner Bär, über dem Kirchenportal angebracht ist. Und daher hat der Berner Pfarrer auch in der Schweizer Kirche gepredigt und ging dabei unter dem Berner Bären in das Gebäude hinein. Aus der Emder ZeitungUnd das wird er auch nochmals am Freitag, 7. September, tun. Denn dann spricht Holger Finze-Michaelsen in der Schweizer Kirche über «Das kirchliche Leben in der reformierten Schweiz. Bericht aus der Perspektive eines Pfarrers». Interessierte sind eingeladen.