StG-Art. 66, oder das Berner Steuergeschenk an Superreiche

Im «Berner Oberländer» vom 17.10.09 konnte der Leser verwundert zur Kenntnis nehmen, dass die Hoffmann-La-Roche-Erbin, Milliardärin und möglicherweise beste Schweizer Steuerzahlerin, ihr Steuerdomizil von Meilen im Kanton Zürich nach Saanen verlegt habe. Im weitern wurde im damaligen Zeitungs-Artikel erwähnt, dass die besagte Person im Kanton Zürich jährlich 18 Millionen Franken an Staats- und Gemeindesteuern abliefern musste und es im Kanton Bern mit den bekanntlich hohen Steuern gut sein könne, dass die Neuzuzügerin über 20 Millionen an Kantons- und Gemeindesteuern bezahlen werde.

Mit dem Titel «Berns einziger Trumpf (im Steuerwettbewerb) in Gefahr» wird im Berner Oberländer vom 23.10.10 das Rätsel gelöst, weshalb die reichste Schweizerin ihr Steuerdomizil vom steuergünstigen Meilen in die Steuerhölle Kanton Bern verlegt hat. Dafür dürfte nämlich der unscheinbare, aber offenbar höchst wirksame Steueroptimierungs-Artikel 66 verantwortlich sein, den die findigen Berner im Jahr 2001 ausgeheckt haben, um für die Reichsten der Reichen Schweizer ein Steuer-Geschenk-Paket zu schnüren, das seinesgleichen sucht, bzw. mit dem (noch) kein anderer Kanton mithalten kann oder aus Steuergerechtigkeits-Bedenken mithalten will.

Ausgerechnet der Kanton Bern, der beim Schröpfen seiner Bürger und Autofahrer einen Spitzenplatz belegt, findet es offenbar eine Super-Idee und rechtlich und moralisch völlig unbedenklich, den Reichsten der Reichen ein massgeschneidertes Instrument zur Steuerflucht zur Verfügung zu stellen, um damit in der Buhlerei der Kantone um gute Steuerzahler (beschönigend Steuerwettbewerb genannt) auch noch ein Wurstzipfelchen zu ergattern!

Die Steuergerechtigkeits-Initiative der SP gefährdet nun offenbar den Weiterbestand dieses Berner Steuerspar-Tricks zu Gunsten superreicher Schweizer.

Und wie immer, wenn den Reichen und Mächtigen hierzulande Ungemach droht, wird auch jetzt wieder gezielt Angst geschürt, der Normalbürger werde für allfällig entstehende Steuerertragsausfälle sein Portemonnaie hinhalten müssen.

Der Berner Steuerzahler hat jedoch guten Grund, sich von solchen Angstmacher Szenarien nicht ins Bockshorn jagen zu lassen, denn die Berner Steuerbelastung für Normalbürger ist im interkantonalen Vergleich bereits heute dermassen absurd hoch, dass eine weitere Erhöhung unrealistisch ist.

Viel wahrscheinlicher ist, dass es den daran interessierten Kreisen in naher Zukunft gelingt, unter dem Vorwand des Steuerwettbewerbs noch die letzten vorhandenen Ansätze von steuerpolitischem Anstand und Fairness zu demontieren, mit dem Ziel, dass die Reichen noch reicher und die Armen noch zahlreicher werden! Walter Hartmann, Spiez