EU-Austauschprogramm Jugend in Aktion
Erholung für Kinder aus Tschernobyl im Jugendcamp an der Lenk

Die Kinder und Jugendlichen aus Tschernobyl geniessen vom 17. Juli bis zum 7. August 2011 die Lenker Bergluft.
Zusätzlich zu den jährlich stattfindenden Therapiecamps in den jeweiligen Ländern führt Green Cross Schweiz dieses Jahr anlässlich von 25 Jahre Tschernobyl dank der Teilfinanzierung des EU-Austauschprogramms Jugend in Aktion ein internationales Jugendcamp in der Schweiz durch.
40 Kinder und Jugendliche aus den radioaktiv und chemisch kontaminierten Gebieten Weissrusslands, Russlands, der Ukraine und der Republik Moldau nehmen vom 17. Juli bis 7. August 2011 am Jugendcamp an der Lenk unter dem Motto «Der Welt begegnen» teil. Zum Programm gehören gemeinsame Aufgaben und Aktivitäten wie Präsentationen, Workshops, Spiele, Wettbewerbe, Sport, Ausflüge, Wanderungen, Museumsbesuche und der kulturelle Austausch mit Kindern aus einem sozial benachteiligten Quartier Palermos sowie mit Gleichaltrigen aus der Schweiz.
In Workshops zu den Themen «Umwelt und Nachhaltigkeit», «Umgang mit Radioaktivität im Alltag», «Recht des Kindes auf Gesundheit und saubere Umwelt» oder «Verschiedene Nationen unter einem Firmament» setzen sich die Kinder mit diesen Problembereichen auseinander und erhalten Einblicke in die Situation anderer Länder. Wie man im Alltag mit der Radioaktivität umgeht, das Essen zubereitet und die Bedeutung der Strahlungsfolgen auf die Umwelt sowie neue Zukunftsperspektiven sind zentrale Themen des EU-Austauschprogramms. Neben dem inspirierenden Workshop- und Seminarprogramm erholen sich die Kinder und Jugendlichen aus der Tschernobyl-Region an einem Ort fern von den alltäglichen Strapazen und vom Strahlenstress im Jugendcamp mithilfe eines aktiven Lebensstils und gesunder Ernährung.
In Begleitung von Maria Vitagliano, Leiterin Internationales Programm Sozialmedizin Green Cross Schweiz, nehmen die Tschernobyl-Kinder ebenfalls am Openair auf dem Bundesplatz für eine Schweiz mit Herz und Zukunft am 29. Juli 2011 in Bern teil. Und auf Einladung der Gemeinde Lenk feiern die Kinder den Schweizer Nationalfeiertag am 1. August 2011 mit der Bevölkerung an der Lenk. Am 2. August 2011 lädt die Millenniumsstadt Neuenburg die Kinder zum Zvieri ein und offeriert ihnen sämtliche Eintritte für die Museumsbesuche in Neuenburg. Am 4. August 2011 treffen sie sich mit dem Jugendparlament in Horgen zum politischen Austausch.
Das Schweizer Jugendcamp im Rahmen des EU-Austauschprojekts Jugend in Aktion ist aus der Kernkompetenz des Gesundheits- und Ausbildungsprogramms Sozialmedizin von Green Cross Schweiz entstanden. Seit 1995 bietet Green Cross Schweiz Kindern und Jugendlichen einen vierwöchigen Aufenthalt in Therapiecamps an. Die Camps finden zur besseren lokalen Verankerung jeweils in Russland, Weissrussland und der Ukraine in unverseuchter und naturnaher Umgebung statt. Dank der medizinischen und psychologischen Betreuung sowie der gesunden Ernährung während des vierwöchigen Aufenthalts wird das Immunsystem gestärkt und die Strahlenbelastung jeweils um 30 bis 80 Prozent gesenkt.
Obwohl die Tschernobyl-Katastrophe von jüngeren Katastrophen überlagert worden ist, bleibt sie doch weiterhin aktuell und in den Körpern und Seelen der Menschen, die in den Tschernobyl-Regionen leben müssen, präsent und spürbar. Die jüngste Katastrophe in Japan zeigt uns, dass die Umwelt und die Energieressourcen mehr Beachtung und unverzügliches Handeln fordern. Mit dem Schweizer Jugendcamp erinnert Green Cross Schweiz auch daran, dass die Folgen des Reaktorunglücks noch lange nicht bewältigt sind und insbesondere Kinder aus Weissrussland, der Ukraine, der Republik Moldau und aus Russland keine Zukunftsperspektive haben.
Kinder und Jugendliche leiden als schwächste Glieder der Gesellschaft am stärksten unter den Folgen der radioaktiven Verstrahlung, da ihr Immunsystem noch nicht voll entwickelt ist. Über die Nahrungskette nehmen sie auch heute noch schädliche Radionuklide auf. Das Immunsystem vermag sie nicht zu schützen, sodass die Folgen oftmals verhängnisvoll sind. Vermehrt treten Herzrhythmusstörungen, Leukämie und andere Krebsarten (Lungen-, Schilddrüsen-, Magen-, Darm-, Blasen- und Nierenkrebs) auf, aber auch chronische Erkrankungen wie Allergien, Asthma, Diabetes oder Augenerkrankungen sind erkennbar.
Die Explosion des Reaktors in Tschernobyl 1986 führte zu einer grossflächigen Kontamination in Weissrussland, aber auch in Russland, in der Republik Moldau und in der Ukraine. Millionen von Menschen sind davon betroffen. Die Auswirkungen dieser Katastrophe werden noch mehrere Jahrzehnte eine grosse Belastung für die Gesundheit und das Leben der betroffenen Bevölkerung darstellen. Der Zerfall des ehemaligen Sowjetsystems hat die Situation noch verschärft, sodass heute Armut und soziale Ausgrenzung vor allem in kontaminierten und abgelegenen Regionen weit verbreitet sind. In vielen Fällen bleiben die betroffenen Kinder und ihre Familien sich selbst überlassen.