«Das Zelt»

Peter Reber bringt die Nordlichter an die Lenk

Am vergangenen Samstag, 1. Februar, standen im «Das Zelt» Peter Reber und die norddeutschen Seemann-Rocker Santiano auf der Bühne. Was vorerst wie ein stilistischer Gegensatz anmutete, entpuppte sich als wahres Highlight. Peter Reber, seines Zeichens wohl der bekannteste musizierende Segler der Schweiz, und die Nordlichter aus dem Raum Flensburg an der Ostsee brachten Fernweh, Seemannsgarn und Träumereien in «Das Zelt», verpackt in stampfenden Folk-Rock, gemischt mit irischen Elementen und gesungen mit einer Stimme, die derjenigen von Rammsteinsänger Till Lindemann nicht unähnlich ist.

Peter Reber bringt die Nordlichter an die Lenk

© ksm-fotografie

Pünktlich um 20 Uhr verdunkelte sich das Zelt. Ein Schiffshorn dröhnte, Möwen kreischten. Ein erster feiner Stich ins Herz des Fernweh-Geplagten, dessen Augen sich auf die Bühnenleinwand richteten, wo Wellen im stetigen Rythmus gegen einen Strand rollten. Die Stimmung könnte passender kaum sein, als Peter Reber alleine die Bühne betrat und mit begeistertem Applaus empfangen wurde. Er eröffnete das Konzert mit seinem Lied «Stürmischi Zytä». Kaum ein anderer ist mehr Synonym für Seglerei, Südsee, Feiheit, eingängige Melodien mit sehnsüchtigen Texten als er, der uns seit den 1980er Jahren mit seinen Liedern die Lust auf Freiheit und Abenteuer an fernen Gestaden nach Hause bringt. Dennoch, bis anhin hatte er mit rockigen Klängen nicht viel am Hut.

Peter Reber und Santiano – ein Widerspruch?

Vergleicht man nur die musikalischen Stilrichtungen von Peter Reber und Santiano, müsste man sagen ja. Achtet man aber auf die Texte und die Botschaften in den Liedern, wird schnell klar, nein, das ist kein Widerspruch, das ist Ergänzung, das passt wie die Faust aufs Auge. Die harten Jungs der Santiano: Hans-Timm Hinrichson (Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug), Axel Stosberg (Gesang, Gitarre, Bass), Andreas Fahnert (Gesang, Gitarre), Peter David Sage (Geige, Mandoline, Gesang, Akkordeon, Bouzouki, Perkussion, Tin Whistle) und ihr charismatischer Frontmann Björn Both (Gesang, Mundharmonika, Perkussion, Didgeridoo) mit seiner erdigen Stimme, mischen traditionelle Volkslieder, Schlagerelemente, irish Folk und typische norddeutsche Shantymusik zu einem einzigartigen Sound. Ihre mehrheitlich deutschen Texte drehen sich um die Schifffahrt, den unbegrenzten Horizont auf den Weltmeeren, um Freiheit, Abenteuer, Sehnsucht und Rum – ähnlich gelagert wie Peter Reber’s Texte. Geigen-Virtuose Peter David Sage bringt mit seiner Fiedel jenen Hauch von Melancholie und Fernweh in die Musik ein, die einen sofort träumen lassen und die unter die Haut geht.

«Umgebaute» Kokosnuss als Flöte

Auf die Frage, ob Peter Reber, der bekanntlich viele Instrumente auf seinen CDs selber einspielte, mit einem neuen Instrument auf die Bühne komme, lächelte dieser und sagte: «Ja, ich spiele heute Abend auf einer Kokosnuss.» Wie das? Peter Reber, der sieben Jahre lang auf seinem Segelschiff unterwegs war und danach weitere sieben Jahre quasi als Schweizer Familie Robinson auf einer Insel auf den Bahamas lebte, erklärte: «Wenn Du sieben Jahre lang auf einer Insel hockst und das Meer anschaust, ist das zwar sehr schön, aber auf die Dauer doch etwas eintönig. Kokospalmen standen überall herum, die Früchte kann man nutzen. Das Fleisch ist essbar und schmeckt gut, die Milch der frischen Frucht ist ein herrliches Getränk» – und dann? Peter Reber setzte es sich in den Kopf, eine Kokosnuss ähnlich einer Flöte zu bohren, um darauf zu spielen. Natürlich klappte dies nicht gleich von Anfang an – so dass es jetzt kaum noch ganze Kokosnüsse auf jener Insel gibt. «Die sind jetzt alle angebohrt, bis es mit der Flöte geklappt hatte,» lachte Peter Reber und man sieht es ihm an: Er hat die Sonne im Gesicht. Auf der Bühne zeigte er, was es mit seiner Kokosnussflöte auf sich hat: Tatsächlich hielt er eine Kokosnuss, in die Löcher gebohrt wurden, in seinen Händen und spielte den eigens dafür komponierten «Kokosnuss-Schottisch». Das Publikum zollte ihm frenetischen Beifall.

Santiano rockten was das Zeug hergab

Die Nordlichter, aus dem Raum Flensburg an der Ostsee, lieferten von Beginn weg richtig ab und rockten das Zelt. Das Publikum liess sich mitreissen, klatschte, sang mit und applaudierte nach jedem Song. Frontmann Björn Both bezog das Publikum mit ein, erzählte die eine oder andere Anekdote, machte flotte Sprüche und bestach nicht zuletzt mit seiner erdigen Stimme und seinen musikalischen Fähigkeiten. Als Highlights an diesem Konzert darf man sicher die einzigartigen Duette Didgeridoo/Violine und Gitarre/Violine bezeichnen. Es hörte sich an, als würden sich die Instrumente gegenseitig von der Schönheit der Meere, dem ewigen Horizont und der Meeresbrise im Gesicht erzählen, ohne ausser acht zu lassen, wie einsam das Ganze sein kann. Der Fernweh-Geplagte hörte gebannt zu und träumte sich irgendwo an die Küste – egal ob Bahamas oder Flensburger Förde: Hauptsache Meer und Wind! Weitere Highlights waren die gemeinsamen Auftritte von Santiano und Peter Reber. Zusammen spielten sie Lieder wie «Der Sonne entgegen», «Die Kinder des Kolumbus» oder «Die alten Segler». «Natürlich musste ich die Mundarttexte eindeutschen, sonst hätten die Nordlichter nicht verstanden, worum es geht», lachte Peter Reber. Die gemeinsamen Lieder kamen beim Publikum sehr gut an. Es war ein Konzert der Extraklasse. Das Zelt war ausverkauft, das Publikum begeistert!

Wie kam es zu diesem gemeinsamen Projekt und wird Peter Reber jetzt ein Rock’n’Roller?

Als Peter Reber vor dem Konzert eine kurze Zeit der SIMMENTAL ZEITUNG für ein Gespräch zur Verfügung stand, erklärte er, wie es zu dieser Zusammenarbeit gekommen ist: Das sei von beiden Seiten her gekommen. Seine Plattenfirma, die Universal, habe ihn vor etwa zwei Jahren zu einem Meeting nach Berlin eingeladen, wo Santiano gespielt hätten. Da war die Band noch gänzlich unbekannt. Dort hat er sie zum ersten Mal gehört und es habe ihn «völlig aus den Socken gehauen». Der ganze Sound, die Thematik der Bandmitglieder – durch deren Adern Salzwasser fliesst – und die fast alle an der Küste wohnen, und das seemännische überhaupt haben den Schweizer fasziniert. Sie haben sich auf Anhieb gut verstanden. Vor allen Dingen waren die Nordlichter erstaunt, dass ein Mann aus der Schweiz (man hätte eher einen Alpöhi oder Bergsteiger erwartet) sich den Traum verwirklichte, sieben Jahre zu segeln und sieben Jahre auf einer Insel zu wohnen. Santiano wollten einige seiner Lieder hören. «Kinder von Kolumbus» fanden sie einen absolut starken Song, den sie unbedingt einspielen wollten. Universal hat dann entschieden, um Santiano auch in der Schweiz bekannt zu machen, sechs Songs für eine Schweizer Edition einzuspielen und so ein gemeinsames Projekt zu starten. Momentan sind Santiano auf Tournee durch Deutschland mit beachtlichem Erfolg. Peter Reber konnte sie dazu überreden, drei Konzerte in der Schweiz zu spielen und er fügte hinzu, seine Lieder tönten mit Santiano, als hätte er sie vor 20 oder 30 Jahren speziell für diese Band geschrieben. Auf die Frage, wird Peter Reber jetzt ein Rock’n’Roller, sagte er: «Für mich hat Rock’n’Roll immer geheissen, dass man sein Leben selber bestimmt. Von da her bin ich schon immer einer gewesen.»

Kerem S. Maurer

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