Sommeruniversität Lenk

Riesenkristalle aus den Schweizer Alpen

Im Rahmen der Sommer-Universität Lenk erläuterte Dr. Beda Hofmann, Kurator am Naturhistorischen Museum der Burgergemeinde Bern, am letzten Donnerstag vor rund 30 Zuhörern in einem faszinierenden Vortrag die Entstehung der Bergkristalle sowie die bedeutendsten Funde in der Schweiz. Die bisher spektakulärsten und wohl schönsten Funde mit über 50 Kristallen und einem Gewicht von mehr als zwei Tonnen stammen vom Planggenstock (Göscheneralp, UR) und wurden von der Burgergemeinde Bern für einen Betrag von 4,5 Mio. Franken gekauft; die Planggenstock-Kristalle werden ab 13.Mai 2011 im Naturhistorischen Museum in Bern zu sehen sein.

Heinz von Arx und Paul von Känel.

Heinz von Arx und Paul von Känel.

Die Bergkristalle bestehen aus dem zweithäufigsten Mineral der Erdkruste, nämlich aus Quarz, und trotzdem sind sie sehr selten. Der Grund liegt in deren Entstehung: Vor rund 15 Millionen Jahren begann die Faltung der Alpen durch die Kollision der Afrikanischen mit der Europäischen Platte. Dadurch entstanden im Gestein Deformationen; in wassergefüllten Rissen konnten in rund 15 Kilometer Tiefe unter enormem Druck und hohen Temperaturen bei der nachfolgenden Abkühlung die Quarzkristalle mit ihrer strengen Geometrie wachsen. Dabei wurden meistens Fremdkörper durch die Kristallstruktur umschlossen – diese Einschlüsse dienen als Signatur zur Bestimmung der Herkunft von Kristallen, da sie jeweils typisch für eine Gegend sind. Heute befinden sich diese Kristalle nahe der Oberfläche, da in all diesen Jahren einerseits ein Teil des darüber liegenden Gebirges wegerodiert wurde und andererseits sich die Alpen nach wie vor um rund einen Millimeter pro Jahr heben.

Schon die Römer verwendeten Quarzkristalle

Quarzkristalle als Rohmaterial zur Weiterverarbeitung waren bereits im Römischen Reich bekannt, beispielsweise wurden daraus Trinkgefässe gefertigt. Aus dem Mittelalter sind hauptsächlich sakrale Gegenstände aus Quarzkristall wie Reliquienbehälter erhalten geblieben. Bis gegen 1750 wurden auch die bekannten Kronleuchter mit Kristallen ausgestattet; so konnte z. B. anhand der Einschlüsse festgestellt werden, dass ein grosser Teil dieser Kristalle aus dem Wallis stammen. Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts werden Bergkristalle als Naturobjekte betrachtet, die es wegen ihrer Schönheit und Faszination zu erhalten gilt.

Fundgebiete

Die Schweizer Alpen und insbesondere die Granite des Aaremassivs sind die klassischen Fundgebiete für grosse Quarzkristalle. Als Riesenkristalle werden Quarze mit einer Länge von einem halben bis einem Meter bezeichnet.

Wie Beda Hofmann ausführte, verlassen sich dabei die Strahler bei ihrer Suche nach Klüften, in denen sie Kristalle vermuten, auf ihre Erfahrungen und die genaue Beobachtung der Felsstrukturen.

Der Fund am Planggenstock

Die Berufsstrahler Franz von Arx (Gurtnellen UR) und Paul von Känel (Reichenbach BE) begannen 1994 mit der Erschliessung eines grossen Kluftsystems am Planggenstock oberhalb der Göscheneralp (UR). Insgesamt wurden über 50 Kristalle mit einem Gesamtgewicht von mehr als zwei Tonnen geborgen – dies auf einer Höhe von rund 2600 Metern und fernab von jeglicher Infrastruktur. Aus den gezeigten Aufnahmen kann man erahnen, wie mühsam die jahrelange Arbeit in den engen Klüften – stehen war nicht möglich – gewesen sein muss. Bei den Planggenstock-Kristallen handelt es sich nicht nur um die grössten bekannten Funde in der Schweiz, sondern mit ihrer ausserordentlichen Transparenz und ihrem Glanz wohl auch um die schönsten.

Erwerb durch die Burgergemeinde Bern

Das Naturhistorische Museum der Burgergemeinde Bern hat die Planggenstock-Kristalle für 4,5 Mio. Franken erworben. Diese werden ab 13. Mai 2011 in Bern zu bewundern sein. Für diejenigen, die nicht warten wollen, sei der Besuch der Kluft beim Kraftwerkeingang der KWO an der Gerstenegg (Grimsel) empfohlen: Wunderbare Quarzkristalle erwarten einen in der einzigen zugänglichen Kluft im Originalzustand. Alain Moilliet