Offener Brief an die Berner Oberländer Touristiker
AKW-Mühleberg
Liebe Berner Oberländer Touristiker,
Sie haben sich für ein neues AKW in Mühleberg ausgesprochen.
Meine Frage: Würden Sie ein neues AKW auch dann befürworten, wenn es auf dem Bödeli bei Interlaken, in Grindelwald oder in Saanen/Gstaad zu stehen käme? Auch mit dem vorgesehenen Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle bis mindestens 2035, eine riesige Halle von 200 Meter Länge und 80 Meter Breite?
Die Fakten
Sie befürchten unzureichende Stromversorgung in der Tourismusregion Berner Oberland, oder dass die natürlichen Leistungsschwankungen der erneuerbaren Energieträger Sonne und Wind nicht ausgeglichen werden könnten. Die Zahlen: Die Kraftwerke Oberhasli erzeugen (nach ihren eigenen Angaben) jährlich ca. 2300 Gigawattstunden Strom. Dies reicht aus, um 500 000 (fünfhunderttausend!) Haushalte ganzjährig vollständig zu versorgen – mehr als alle Haushalte im ganzen Kanton Bern! Und dieser Strom ist jederzeit und in Sekundenschnelle als Spitzentrom verfügbar.
Eine neue Studie eines deutschen Wirtschaftforschungs-Instituts bestätigt, was Praktiker mit gesundem Menschenverstand längst wussten: der Mix aus Photovoltaik, Wasser, Wind und Biomasse, dezentral in kleinen Einheiten erzeugt und klug vernetzt (Smart Grid), gewährleistet die Energiversorgung besser und zuverlässiger als grosse Kraftwerke.
Der Ertrag von Solaranlagen – thermisch und Photovoltaik – ist in Berglagen durchschnittlich 30 Prozent höher als im Schweizerischen Mittelland. Höhere Strahlung (vor allem im Winter), kühlere Temperaturen (PV ist dann effizienter), Nebelfreiheit, Rückstrahlung von Schneeflächen ermöglichen bessere Leistung. Bei Schneedecke kann heute mittels Schalter der Stromfluss kurzzeitig umgekehrt werden und innert Minuten rutscht der Schnee kontrolliert ab.
Die Vision: Das Berner Oberland hätte also beste Chancen, eine nachhaltige, Energieautonome, zukunftsorientierte Tourismusregion zu werden – wie schon eine Reihe anderer in Mitteleuropa, z.B. die Ökoregion Güssing im Burgenland/Österreich, das Energiedorf Kötschach-Mauthen in Kärten(A), die Gemeinde Freiamt im Schwarzwald (DE). Schritte in die Zukunft sind alleweil besser als das Beharren in der Vergangenheit.
Liebe Oberländer Touristiker, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Zukunft einzuleiten. Mit herzlichen, erneuerbaren Energiegrüssen Fritz Wassmann, Neuenegg