Offener Brief kritisiert Abbau von Chirurgie und Anästhesie – Rückgängigmachung gefordert

Initiative will Genossenschaft für Spital Zweisimmen gründen

Eine Gruppe engagierter Bürgerinnen aus der Region fordert den Berner Regierungsrat auf, die geplante Schliessung der Chirurgie und Anästhesie am Spital Zweisimmen rückgängig zu machen. In einem achtseitigen offenen Brief, der am 2. September an den Regierungsrat des Kantons Bern ging, schreiben Marianne Herbst aus Oberwil, Rosmarie Willener aus Zweisimmen und Franziska Kuhnen aus St. Stephan: «Alles andere würde Menschenleben gefährden.»

Von Armin Berger

«Wie sollen Notfälle verantwortungsvoll versorgt werden, wenn je nach Fall notwendige Strukturen wie Operationssaal und Anästhesie fehlen?», fragen die Verfasserinnen. Sie befürchten, dass die Region mit über 20000 Einwohnern und einer mindestens doppelt so hohen Zahl an Touristen ohne diese medizinischen Strukturen nicht sicher versorgt werden kann.

Besonders problematisch sehen sie Wegzeiten von bis zu 90 Minuten nach Thun bei Notfällen, die einen sofortigen chirurgischen Eingriff erfordern. «Wer von Ihnen würde akzeptieren, dass im eigenen Regionalspital Strukturen so stark abgebaut werden, dass im Notfall bis zu 70 Kilometer und bis zu 90 Minuten Fahrzeit nötig sind?», richten sie sich direkt an die Politiker.

Marianne Herbst, eine erfahrene Patientenberaterin, die seit Jahren in verschiedenen Funktionen im regionalen Gesundheitswesen tätig ist, argumentiert in einem beigelegten Fachpapier, dass Telemedizin bei akuten Notfällen wie Atemstillstand, Polytrauma oder Schockzuständen an ihre Grenzen stosse. Ohne Operationssaal seien auch routinemässige Eingriffe wie Blinddarm- oder Gallenblasen-Operationen sowie die Versorgung von Knochenbrüchen nicht mehr möglich.

Widersprüchliche Begründungen werden kritisiert

Die Initianten stellen auch die vom Regierungsrat angeführten Begründungen infrage. Während dieser von «tiefen Fallzahlen» spreche, habe er selbst im Juni noch geschrieben, dass die Spital STS AG über Jahre «etliche Eingriffe an den Standort Thun verschoben» habe und eine Rückverlagerung «rasch positive Effekte» haben würde.

Besonders stossend finden die Verfasserinnen, dass der Regierungsrat nun der Spital STS AG vertraue, nachdem er diese im Zusammenhang mit der gescheiterten Medaxo-Übernahme noch scharf kritisiert hatte. «Warum wurde die Lösung mit der Medaxo Gruppe nicht fortgesetzt? Wieso stellt sich der Regierungsrat stattdessen nun vertrauensvoll hinter die STS AG?», fragen sie.

Genossenschaft als
alternative Lösung

Als Antwort auf das aus ihrer Sicht zerstörte Vertrauen in die Spital STS AG kündigen die Initianten die Gründung einer Genossenschaft an. Diese soll die regionale Gesundheitsversorgung koordinieren und organisieren. «Wir sehen die STS AG nicht als die geeignete Institution an, um diese Aufgabe zu übernehmen», schreiben diese.

Die geplante Genossenschaft soll Menschen aus Gesundheitswesen, Gewerbe, Tourismus und Politik zusammenbringen. Finanziert werden soll sie durch Gelder, die ursprünglich für die gescheiterten Projekte der GSS AG oder Medaxo AG vorgesehen waren, sowie durch nicht getätigte Investitionen der STS AG am Standort Zweisimmen.

«Alle, denen eine wohnortnahe Grundversorgung eine aktive oder finanzielle Unterstützung wert ist, können die Genossenschaft nach Möglichkeit unterstützen», heisst es im Brief. Niemand müsse mitmachen, es brauche keine Abstimmungen.

Die Verfasserinnen fordern eine «echte Grundversorgung» und erinnern indirekt an mögliche rechtliche Konsequenzen: «Die Entscheidungsträger tragen bei möglichen Patientenschäden eine Mitverantwortung.»

Zum Artikel

Erstellt:
06.09.2025, 00:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 18sec
Kommentare