Botschafter Dr. Christian Blickenstorfer sprach zum Verhältnis Schweiz-EU

Denkerhof im Lenkerhof

Unter diesem Titel wurde am vergangenen Donnerstag zu einem Vortrags-Reigen gestartet. Gemeinsam mit dem Reisebüro Background Tours organisiert das Fünfsterne-Hotel Lenkerhof in den Wintermonaten eine sechsteilige Serie von Vorträgen prominenter Referenten. So berichten zum Beispiel Erich Gysling über «Die Arabische Welt im Umbruch» und Walter Eggenberger führt in seinem Referat unter dem Titel «Zwischen Ridicule und Weltschreck» durch Nordkorea.

Lenkerhof-Besitzer Jürg Opprecht stellte als ersten Denkerhof-Referenten Botschafter Christian Blickenstorfer vor, der über das schwierige Verhältnis Schweiz-EU referierte.

Lenkerhof-Besitzer Jürg Opprecht stellte als ersten Denkerhof-Referenten Botschafter Christian Blickenstorfer vor, der über das schwierige Verhältnis Schweiz-EU referierte.

Die Idee der Verbindung von erstklassiger Kulinarik, gepflegter Unterkunft mit kulturellen und politischen Events geisterte schon lange durch die Köpfe des Hotelbesitzer Jürg Opprecht und seines Direktors Jan Stillers. Unterstützt vom Reiseveranstalter «Background Tours» (Ruedi Bless) wurden nun «Nägel mit Köpfen» gemacht.

Den Anfang zur Vortragsreihe der kommenden Wintersaison machte der ehemalige Schweizer Botschafter Christian Blickenstorfer, der seine Karriere 1974 beim EDA gestartet hatte und dabei zahlreiche «diffizile» Mandate und Vertretungen, wie etwa die Vertretung der USA in Kuba und im Iran, wahrzunehmen hatte. Später war Dr. Christian Blickenstorfer Botschafter in Washington und in Berlin.

Die Schweiz im Zentrum der epochalen EU-Baustelle

Sehr anschaulich berichtete der ehemalige Spitzendiplomat über das schwierige Verhältnis Schweiz-EU. «Die Schweiz befindet sich im Zentrum der epochalen Baustelle EU», schilderte Blickenstorfer den aktuellen Ist-Zustand. Er blickte auf die Anfänge europäischer Zusammenarbeit in der Nachkriegszeit (EFTA, EWG, Freihandelsabkommen für industrielle Produkte, usw.) zurück und zeigte auf, wie die vorerst auf die Wirtschaft ausgerichteten Verträge immer mehr durch politische Schwerpunkte ergänzt wurden. 1989, nach dem Fall der Berliner Mauer und der Auflösung der Sowjetunion schien der Beitritt der Schweiz zum neu geschaffenen Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) als «Königsweg» für unser Land zu werden. Der EWR- Beitritt wurde 1992 mit 50,3% der Stimmen (und dem Nein von 16 der 23 Stände) abgelehnt. Mit dem EU-Beitrittsgesuch hatte der Bundesrat den Gegnern eine Steilvorlage geliefert und der Ausgang dieser Abstimmung bedeutete Schiffbruch für die Politik des EU-freundlichen Bundesrates. Der vermeintliche Königsweg wurde zur Sackgasse und die Auswirkungen hallen bis heute nach.

Sonderwünsche stossen zunehmend auf Widerstand

Die verärgerte EU nahm erst Ende 1993 Kenntnis von den Schweizer Wünschen nach bilateralen Verträgen. Nach langwierigen Verhandlungen konnte 1999 das Abkommen zur Personenfreizügigkeit, später Verträge über Land- und Luftverkehr, zum öffentlichen Beschaffungswesen und im Forschungsbereich unterzeichnet werden. 2005 stimmte das Schweizer Volk auch den Bilateralen II (u.a. Schengen/Dublin, Bildung, Kultur, Umwelt, zu. Botschafter Blickenstorfer hält nichts davon, dass die Unterhändler schlecht verhandelten oder sich zu kompromissbereit zeigten: «Die Schweiz war immer ein zäher Verhandlungspartner. Das ausgehandelte Abkommen zur Zinsbesteuerung wurde in Brüssel gar als Mittel bezeichnet, die Partner über den Tisch zu ziehen. Nun machen aber die Isolationisten den bilateralen Weg schwieriger. Vor allem bei den jungen Mitgliedstaaten der EU stossen die Sonderwünsche der Eidgenossen zunehmend auf Unverständnis».

«Ist der bilaterale Weg am Scheideweg?»

fragte der Referent am Ende seiner Ausführungen und gab zu, dass eine Antwort dem Kaffeesatzlesen gleichkäme. Als kaum wahrscheinlich bezeichnete er einen baldigen Beitritt. Die EFTA, der neben der Schweiz nur noch Island, Norwegen und Liechtenstein angehören bezeichnete er als Auslaufmodell. Er folgerte, dass eine Verlängerung der bilateralen Verträge angestrebt werden müsste, wies aber gleichzeitig auch auf die Schwierigkeiten hin. «Für die EU sind wir nicht so wichtig, aber umgekehrt ist die EU unser wichtigster Handelspartner. Es wird etwas kosten und nicht alle unsere Wünsche dürften in Erfüllung gehen. Der Souveränitätsverlust hängt davon ab, wie geschickt verhandelt wird. Es wäre besser für unser Land, aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln, als aus einer Krisensituation heraus».

Ernst Hodel

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Erstellt:
04.12.2013, 11:18 Uhr
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