Florian Stalder zog den Schlussstrich unter seine Karriere als Radprofi

Nachdem ihm sein Arbeitgeber – das Radsportteam BMC – für 2011 keinen neuen Arbeitsvertrag ausstellen wollte, und sich auch sonst kein adäquater Arbeitgeber im Radsport finden liess, zog der Zweisimmer Radprofi Florian Stalder im vergangenen Herbst einen Schlussstrich unter seine Sportkarriere. Privat und beruflich machte er Nägel mit Köpfen: Am 27. Oktober 2010 heiratete er in Kalifornien seine Kaycee, trat anfangs Jahr eine Stelle in Grindelwald an und wird dort im August eine Zusatzlehre als Plattenleger beginnen.

Im Radsport ein Paar geworden: Forian Stalder mit Gattin Kaycee an den Snowgames von Zweisimmen.

Im Radsport ein Paar geworden: Forian Stalder mit Gattin Kaycee an den Snowgames von Zweisimmen.

Sein erstes Radrennen (von Gstaad nach Lauenen) hatte Florian Stalder 1996 als 14-jähriger bestritten und gewonnen. Mit einem fünften Platz am 3. Oktober 2010 beendete er 14 Jahre später seine Karriere als Spitzensportler, die ihm zahlreiche schöne Resultate und viele interessante Eindrücke eingebracht hatte. Der Radrennsport führte ihn in die verschiedensten Länder und Kontinente und es ergaben sich viele interessante Begegnungen. Nicht einfach waren für den fairen Sportler die unsauberen Machenschaften von Konkurrenten, Betreuern und Managern in der Radsportszene.

Höhepunkte als Elite-Amateur

Als Elite-Amateur zählen die Teilnahmen an den beiden Weltmeisterschaften in Hamilton und Verona und die Europa-Meisterschaften in Bergamo und Tallin zu den schönsten Erinnerungen. Die erfolgreichsten Auftritte hatte er jedoch am GP Tell. Unvergessen ist sein hart erkämpfter dritter Rang vor seiner Haustüre auf der GP-Tell-Etappe von Roggliswil nach Zweisimmen mit den Aufstiegen von Garstatt–Beret–Heimersberg und dem zweimaligen Rundkurs via Oeschseite–Saanenmöser (inbegriffen dem Saanenwaldstutz mit 28% Steigung). Ein dritter und ein vierter Gesamtrang in diesem international bedeutenden Anlass für Elite-Amateure öffnete ihm die Türe zu einem Profivertrag.

Das schwierige Jahr bei Phonak

So stieg er 2005 beim tschechischen Team ED-Systems ins Profi-Geschäft ein. Trotz sprachlichen Schwierigkeiten und einem wenig organisierten Betrieb gelangen ihm (vor allem in Deutschland) gute Resultate. Sportmäzen Andy Rhis wurde auf den Simmentaler aufmerksam und stellte ihm anlässlich der TdS-Etappe in Lenk einen Zweijahres-Vertrag bei seinem Phonak-Team in Aussicht. Nach nur einem Jahr musste dieses Team aufgelöst werden. Dopingaffären seiner Mannschaftskollegen (Landis, Guttierrez, Botero und Urweider) hatten dazu geführt. Florian fand daraufhin im österreichischen Team «Volksbank» einen neuen Arbeitgeber und hatte dort als Co-Kapitän seine grössten Erfolge.

Tds-Sprintsieger, Zweiter im Veneto

Zehn Top-Ten-Klassierungen und der Gewinn der Tour de Suisse Sprintwertung machten das Jahr 2007 zum erfolgreichsten in seiner Profi-Karriere. Am Giro del Veneto verhinderte der Italiener Bertolini nur um Haaresbreite einen Profisieg des Simmentalers; beim Rennen um den Frankfurter-Henninger-Turm war er der aktivste Teilnehmer einer erfolgreichen Fluchtgruppe mit dem nachmaligen (gedopten) Sieger Patrick Sinkewitch und auf der Königsetappe der Deutschland-Rundfahrt lieferte er sich auf dem 14 Kilometer langen Schluss-Aufstieg von Sölden zum 2700 Meter hohen Rettenbachgletscher gegen den (ebenfalls gedopten) Davide Rebellin und wurde glänzender Vierzehnter. In diesen Zeiten sah man ihn oftmals als Animator und Mitglied von Fluchtgruppen, so auch immer wieder an den nationalen Meisterschaften. 2009 wurde Andy Rhis ein zweites Mal zum Arbeitgeber. Florian Stalder wurde als Helfer für das BMC-Team verpflichtet und hatte seine Fähigkeiten fortan als Teamhelfer unter Beweis zu stellen. Das gelang ihm unter anderem beim diesjährigen Giro d’Italia hervorragend. Dort leistete er im härtesten und schnellsten Giro aller Zeiten einen wesentlichen Beitrag zum 5. Gesamtrang von Teamleader und Weltmeister Cadel Evans.

Heirat mit Kaycee, Zusatzlehre als Plattenleger

Die Frage, ob er nochmals eine Profikarriere anpeilen würde, beantwortet Stalder mit einem klaren Ja. «Trotz den Problemen im Radsport hatte ich eine sehr interessante und gute Zeit. Ich trete als sauberer Sportler zurück. Alle (über hundert) Dopingkontrollen waren negativ. Im Nachhinein muss ich aber feststellen, dass ich oftmals zu uneigennützig aufgetreten bin und damit die eigenen Chancen zu fest in den Hintergrund gestellt habe. Die schönen Erinnerungen werden mich aber mein Leben lang begleiten». Begleiterin auf diesem Lebensweg wird fortan auch eine hübsche Amerikanerin sein. Still und heimlich hat er im vergangenen Oktober im kalifornischen Santa Rosa seine Freundin Kaycee geheiratet. Sie hatte die BMC-Radprofis in den beiden letzten Jahren als Physiotherapeutin betreut. Das Paar wohnt nun in Unterseen. Kaycee wird in Interlaken ihrem Beruf nachgehen; Florian hat eine Stelle im Betrieb von Michael Schertenleib in Grindelwald gefunden und wird dort ab August eine zweijährige Zusatzlehre als Plattenleger beginnen. Das Rennrad hängt am berühmten Nagel. Trotzdem will er sich weiterhin sportlich betätigen. Schon immer in den Fussstapfen seines Vaters (auch er war Radsportler, Strassen- und Bergläufer), hat er mit dem Joggingtraining begonnen. Im Herbst will er den Jungfrau-Marathon absolvieren. Ernst Hodel

Einer seiner schönsten Erfolge: Florian Stalder durfte sich in Bern als Gesamtsieger der TdS-Sprintwertung feiern lassen.

Einer seiner schönsten Erfolge: Florian Stalder durfte sich in Bern als Gesamtsieger der TdS-Sprintwertung feiern lassen.

Immer wieder in Fluchtgruppen: Florian Stalder hinter Olympiasieger und Weltmeister Fabian Cancellara an den Schweizer Meisterschaften 2009.

Immer wieder in Fluchtgruppen: Florian Stalder hinter Olympiasieger und Weltmeister Fabian Cancellara an den Schweizer Meisterschaften 2009.

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Erstellt:
26.01.2011, 19:21 Uhr
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