Märchenzauber im Stall

Riesenüberraschung im Restaurant zum Stall an der Lenk: Da sitzen doch die Gäste beim feinen, von Chef Kari Koller wie gewohnt magistral zubereiteten Diner, als sich plötzlich sonderbares tut. Zwischen der Innenverglasung und den äusseren Holz-Stallwänden regt und bewegt sich etwas. Die Gäste rätseln: Mäuse? Nicht doch, da ist das Restaurant zu sauber. Was aber denn? Nun, als Gastgeberin Therese Koller auf das unerwartete Leben in der Stallecke aufmerksam gemacht wird, erkennt sie sofort: Das sind kleine Kaninchen! Frisch zur Welt gebracht worden von ihrer Kaninchenmutter, die mit ihrer Schwester zur Freude der Stallbesucher hier haust und hoppelt. Doch halt: Schwester? Ein Griff an den Allerheiligsten des vermeintlich weiblichen Kaninchens fördert zu Tage, was angesichts des frischen Wurfs rasch klar wurde: Das Weibchen ist ein zeugungsfähiger Kaninchen-Mann!
Leider wurde allerdings nichts mit einer künftigen Jungkaninchen-Schau im Stall. Statt den Gästen ein «Herzig!» in der bekannten Manier von Knut, dem Eisbären, entlocken zu können, war den winzigen Kaninchen nur ein kurzes Leben beschieden. Zuviel der Inzucht ist halt auch für Langohren ungesund. Trotz sorgsamer Pflege der Jungmannschaft war da nichts zu machen, das Ende kam rasch. Zwar zu siebt zur Welt gekommen, gab es hier kein Happy End – ein solches scheint nur den sieben Geisslein im Märchen beschieden zu sein.
Trotzdem, es ist schön, ja beinahe märchenhaft, wenn solche Ereignisse in unserem hektischen, oft allzu steril herausgeputzten Alltag noch möglich sind. Hätten wir bei Kaninchen dieselbe Deklarationspflicht wie bei Gurken im Glas, Fertigsaucen in der Tube und Sprudelgetränken in der Büchse, dann wäre das Männchen nie als vermeintliches Kaninchenweibchen durchgegangen, somit der überraschende Siebnerwurf nie erfolgt. Wäre das Restaurant zum Stall ein modern gekachelter Betrieb mit modischer Verputztapete, künstlichem Parkett und geblümten Einheitsvorhängen, dann hätten hoppelnde Langohren gar nie Platz, ein leckeres Diner für die Gäste zum ganz besonderen Erlebnis zu machen. Wie oft wird der Begriff Erlebnisgastronomie doch bemüht, um langweilige Zwanzig-nach-Acht-Menüs auf kulinarisch-trendiges High-Noon trimmen zu wollen. Was dann meist so spannungslos ausfällt wie eine Retorten-Bratensauce, die trotz eines Spritzers Rotwein bleibt, was sie ist, ein Konzentrat aus Fertigpaste.
Wo allerdings, wie im Restaurant zum Stall, bei schönem Wetter draussen am sprudelnden Brunnen herzlich empfangen und erfrischend zum Apéro geladen wird, wo der Chef in der offenen Küche inmitten des ehemaligen Kuhstalls den Gästen zeigt, was sie am anschliessenden Diner kulinarisch erwartet, wo Gemütlichkeit und Ambiente zu Tische lädt, gesäumt von eigener Malereikunst des Maître de cuisine, wo die Dame des Hauses sich persönlich um das Wohl ihrer Gäste kümmert und schliesslich sieben unerwartete Erdenbesucher für einen kurzen Moment das Licht der Welt erblicken, da findet echte, natürliche und nachhaltige Erlebnisgastronomie statt. Ob die Zahl Sieben beim überraschenden Kaninchenwurf wohl ein Hinweis für uns nicht immer «merkigen» Menschen war, dass sich vor unserer Nase zuweilen wahrhaftige Märchen abspielen? Man weiss es nicht, darf sich aber durchaus davon verzaubern lassen! Schwe