Feierliche Amtseinsetzung von Pfarrerin Isabel Altmann in der reformierten Kirche Zweisimmen

Was ist der Nutzen der Kirche und wer bist du?

Der letzte Sonntag war ein freudiger Tag für die reformierte Kirchgemeinde Zweisimmen. Endlich konnte Pfarrerin Isabel Altmann offiziell im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes in das Pfarramt eingesetzt werden. Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst vom Jodlerklub Bärgrose und Orgelmusik von Roland Neuhaus. Mit Grussworten wurden der jungen Pfarrerin viele gute Wünsche übermittelt.

Von Kerstin Kopp

Synodalratspräsidentin Judith Pörksen Roder, Pfarrer Christof Mudrack, Pfarrerin Isabel Altmann, Pfarrer Alexander Heit und Kirchgemeinderatspräsidentin Kerstin Kopp an der Amtseinsetzung von Isabel Altmann in der reformierten Kirche Zweisimmen am 2. März 2025.

Synodalratspräsidentin Judith Pörksen Roder, Pfarrer Christof Mudrack, Pfarrerin Isabel Altmann, Pfarrer Alexander Heit und Kirchgemeinderatspräsidentin Kerstin Kopp an der Amtseinsetzung von Isabel Altmann in der reformierten Kirche Zweisimmen am 2. März 2025.

© Kerstin Kopp

In ihrer Begrüssung fasste Kirchgemeinderatspräsidentin Kerstin Kopp den hürdevollen Anfang zusammen und drückte die Freude darüber aus, dass Zweisimmen jetzt wieder offiziell ein Pfarrerin im Hauptamt hat. Trotz einer gewissen Länge wurde der Gottesdienst kurzweilig gestaltet. Nebst der Installation durch Pfarrer Christof Mudrack aus Boltigen und dem Predigtteil, der von Isabel Altmann und ihrem Vikariatsvater Pfarrer Alexander Heit aus Herrliberg gesprochen wurde, berührte der Jodlerklub Bärgrose die Anwesenden mit seinem harmonischen Gesang und Roland Neuhaus schaffte mit seinem Orgelspiel eine sehr schöne Atmosphäre in der Kirche.

Die Sonne schien durch die grossen Kirchenfenster in den Chor und Pfarrer Alexander Heit war begeistert von dem schönen Ort und der altehrwürdigen Kirche, die sich Isabel für ihre erste Amtsstelle ausgesucht hatte, und auch von dem Jodlerklub. «Ihr singt von der Sonne und dem Frühlingserwachen – bei uns in Herrliberg müsste man wohl eher vom Nebel singen.»

Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen

Der Gottesdienst wurde von verschiedenen Grussworten mit guten Wünschen begleitet. Beat Oberlin, Präsident des Universitätsrats der Universität Basel konnte zwar nicht anwesend sein, gab seiner Freude aber in einem Brief zum Ausdruck: «Mit Isabel Altmann erhält die Gemeinde nicht nur eine hochbegabte neue Pfarrerin, die an der Universität Basel mit der besten Masterarbeit aller Studierenden des Jahrgangs mit dem Titel ‹Strafe, Sühne und Vergebung, Strafe aus rechtsphilosophischer und christlich-theologischer Sicht› ausgezeichnet wurde, sondern auch eine Persönlichkeit, die eine ausserordentliche Vielseitigkeit aufweist und mit beiden Beinen in der heutigen Welt steht. Als ausgebildete Juristin kennt sie auch die Alltagssorgen der Mitmenschen und kann sie auch in dieser Hinsicht kompetent und engagiert begleiten.»

Im Namen der politischen Gemeinde überreichte Beatrice Zeller Isabel Altmann das Buch «Simmentaler Wortschatz». Es soll ihr helfen, falls sie bei den einheimischen Dialekten ins Stocken gerät oder wenn sie sich manchmal über die Bedeutung einiger Wörter wundert, so die Gemeindepräsidentin mit einem Zwinkern und ergänzte: «Es ist ein freudiges Ereignis, wir dürfen jemanden willkommen heissen, der freiwillig nach Zweisimmen zum Arbeiten kommt, da werden viele Arbeitgeber neidisch sein.»

Susanne Zürcher, Co-Kirchgemeinderatspräsidentin von Boltigen und Vize-Präsidentin vom Kirchlichen Bezirk Obersimmental-Saanenland, erinnerte die junge Pfarrerin daran, nie zu vergessen «Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen». Der röm.-kath. Kirchgemeinderat Gstaad liess einen Willkommensgruss in Form einer Tasche mit Leckereien beider Täler überbringen und auch Samuel Humm, Pfarrer der Evang.-Methodistischen Gemeinde Lenk, sprach für den Allianzkreis Obersimmental: «Ich wünsche dir, dass du hier die Schönheit der Menschen und des Tales entdeckst.»

Wer bist du? Wie sehen wir uns im gesellschaftlichen Gesamtsystem?

In seiner Predigt stellte Pfarrer Alexander Heit die Frage «Was ist der Nutzen der Kirche?» Ist Religion ein veraltetes, überholtes Modell? Wie ordnen wir uns als Mensch in die Gesamtgesellschaft ein? Da ist die Frage «Wer bist du?» interessant. Alexander Heit schlug vor, doch diese Frage beim anschliessenden Apéro ungeniert auszuprobieren. Es kämen sicher interessante Antworten.

Das 3-Schichten-Modell aus dem Mittelalter, in dem der Klerus an der Spitze stand, ist gottlob vorbei. Heute definieren wir uns eher über Funktionsbereiche (funktionale Ausdifferenzierung ist das Fachwort dafür). Wir ordnen uns dem Wirtschafts-, Rechts-, Bildungs- oder auch Familiensystem und nicht mehr dem Adel oder Arbeiter- bzw. Bauernstand zu. Jedes System bringt eine besondere Leistung. Parallel dazu gibt es für ihn noch das Religionssystem. In der Kirche werden Antworten auf den Sinn des Lebens und unserer Wertorientierung gegeben.

Glaube ist nicht einfach ein Interesse oder Hobby

Isabel Altmann stellte sich in ihrer Predigt der Gemeinde vor, indem sie den Deutungsversuch ihres Vikariatsvaters Alexander Heit, was Religion eigentlich ist, in ihrer Predigt aufgriff. Alexander Heit verwies auf die Theorie des Soziologen Niklas Luhmann, der Religion als ein eigenständiges, in sich geschlossenes System innerhalb der Gesellschaft betrachtet. Für ihn ist Religion ein menschliches Phänomen, ähnlich wie Kunst oder Sport. Religion existiert für die, die sich dafür interessieren. «Und an diesem Punkt gehe ich weiter als mein Vikariatsvater», so Isabel Altmann, «Die luhmanische Erklärung, Religion, als eigenes System in unserer Gesellschaft zu sehen, reicht mir nicht.»

Gedanken, die die Frage nach Glauben und Gott berühren

«Manchmal heisst es: ‹Du musst dich entscheiden, ob du glauben willst oder nicht.› Doch ich vermute, solche Entscheidungen entstehen oft aus Druck. Nein – Glaube ist keine blosse Willensentscheidung. Glaube ist nicht einfach ein Interesse oder Hobby, das man hat oder nicht hat. Denn Glaube ist etwas, das das Innerste berührt, ein Gefühl, das tief in uns aufsteigt und in uns existiert. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein erkannte das und sagte: ‹Wir fühlen, dass selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind, unsere Lebensprobleme noch gar nicht berührt sind.› »

Ein zentraler Gedanke, der für Isabel Altmann die Frage nach Glauben und Gott berührt, stammt vom Reformator Martin Luther. Er brachte es treffend auf den Punkt, in dem er festhielt: «Was ist Gott? Gott ist das, woran du dein Herz hängst.» So fragt sich die Pfarrerin auch: Wer bin ich? Was macht mich aus? Indem man sich für Begegnungen öffnet, findet man Antworten auf diese Fragen. Die Suche nach dem Sinn des Lebens, nach dem Grund des Vertrauens, nach der eigenen Identität kann man nicht delegieren. Johannes Calvin drückte das so aus: «Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis hängen untrennbar zusammen». Man kann Gott nicht erkennen, ohne sich selbst zu erkennen. Im Christentum gehören Gott und Mensch zutiefst zusammen.

Nach den bereichernden Worten klang der feierliche Vormittag mit einem Apéro im Kirchgemeindehaus aus. Und auch die Frage «Wer bist du?» wurde gestellt.

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Erstellt:
08.02.2025, 00:30 Uhr
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