Konzert des Cantate Chors
Venedig in Zweisimmen, eindrückliche Leistung

Werke aus der venezianischen Barockzeit standen auf dem Programm der diesjährigen Dezemberkonzerte vom 5. und 29.12.2010. Wenn hier vom Cantate Chor die Rede ist, sind natürlich auch alle andern Beteiligten mit eingeschlossen: Die Solisten Beatrice Ruchti, Sopran, Astrid Pfarrer, Alt, André Schüpbach, Trompete, sowie das Orchester der Zweisimmer Konzerte mit Konzertmeisterin Charlotte Zehnder. Das Ganze stand unter der bewährten Leitung von Klaus Burkhalter.
Kluger Programm-Aufbau
Nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ wurde dem Chor ein Höchstmass an Konzentration und Ausdauer abverlangt. In einem Konzert, das nicht viel weniger als zwei Stunden dauerte, ist dies eine bewundernswerte Leistung! Man könnte sich fragen, ob nicht eine Pause angebracht gewesen wäre? Meiner Ansicht nach, ist dies mit einem klaren Nein zu beantworten. So konnte nämlich die festliche Stimmung aufrecht erhalten bleiben. Überhaupt ist der geschickte Programm-Aufbau zu loben. Der grösste «Brocken», das Cimarosa-Requiem am Anfang, dann ein «Intermezzo» in Form der Trompeten-Sonate von Giuseppe Torelli, und am Schluss das jubelnde «Gloria» von Antonio Vivaldi.
Anforderungsreiches Werk
Zum ersten Werk: Domenico Cimarosa (1749–1801), Requiem für Soli, Chor und Orchester. Im langsamen Anfangssatz «Requiem aeternam» erlebten wir einen schön aufgebauten Chorklang, auf Leichtigkeit und Durchsichtigkeit angelegt. Besonders hervorzuheben ist die ausgeglichen schöne Zweistimmigkeit der Frauenstimmen im Chor. Das viel dramatischere «Dies irae» hätte vielleicht noch etwas mehr sprachliche Prägnanz ertragen mögen.
Ideale Ergänzung der Solostimmen
Es ist ein Glücksfall, wenn zwei Solostimmen so gut zusammen passen wie jene der Sopranistin Beatrice Ruchti und der Altistin Astrid Pfarrer. Im Verlauf des Konzertes erhielt man immer wieder die Bestätigung dafür. Beatrice Ruchti mit ihrer gut sitzenden, kräftigen und doch elastischen Sopranstimme und Astrid Pfarrer mit ihrer warmen und ausdrucksstarken Altstimme ergänzen sich ideal.
Zum Beispiel im «Recordare» sangen sie die Verzierungen äusserst präzise und vollkommen synchron.
Starke Eindrücke des Chors
Besonders starke Eindrücke erzeugte der Chor im «Lacrimosa». Er breitete wunderschöne Klangflächen aus, die von punktierten Rhythmen des Orchesters durchsetzt waren.
Dass dieser Cimarosa kein einfaches Werk ist, konnte man beim «Domine Jesus» feststellen, mit den sehr heiklen Anfängen in den hohen Stimmlagen. Im «Sanctus» benötigten Chor und Orchester eine kurze Phase, um sich rhythmisch zu «finden». Es ist wahrscheinlich eine Interpretationsfrage, ob man im «Benedictus» zwischen dem lyrischen ersten und dem dramatischeren zweiten Teil («Hosanna») eine noch etwas grössere dynamische Spannweite erzielen könnte.
Das «Dona eis requiem» wurde vom Chor ergreifend schön gesungen. Das ging echt «unter die Haut»!
Festliche Trompetenklänge
Vom klugen Programm-Aufbau haben wir schon gesprochen und die Trompeten-Sonate von Torelli als «Intermezzo» bezeichnet. Das ist aber keinesfalls abwertend gemeint, im Gegenteil! André Schüpbach, der Trompeten-Solist spielte die schnellen Teile mit Schwung und Verve, und alles mit brillanter Tongebung. Er hatte sichtlich den «Plausch» an diesem Stück. Seine Musizierfreude übertrug sich auch auf das Publikum. Die Trompete als festliches Instrument kam hier richtig zur Geltung, und dieser rein instrumentale Zwischenteil ermöglichte es den Sängerinnen und Sängern, zwischen den beiden grossen Chorwerken ein wenig zu «verschnaufen».
Zeitloser Vivaldi
Antonio Vivaldi (1678–1741), der Schöpfer unzähliger Instrumental-werke (am bekanntesten sind «Die vier Jahreszeiten») schrieb das interessante und vielfältige «Gloria in D» für Soli, Chor und Orchester in der Zeit zwischen 1713 und 1719. Diese Musik hat aber nichts von ihrer Frische und Unmittelbarkeit eingebüsst.
Bei diesem Werk hatte man das Gefühl, der Chor würde befreit und eine Spur lockerer agieren als bei Cimarosa. Die stärksten Eindrücke vermittelten hier:
Der Chor im «Gratias» mit einem sehr intensiven Anfang und einer überzeugenden Steigerung, das «Domine Deus» mit der Solo-Oboe und der Sopranistin Beatrice Ruchti, deren instrumental geführte Stimme sich aufs Schönste mit dem Oboenklang vermischte, das «Agnus Dei» mit Astrid Pfarrer und dem Chor, der hier seine grösste Differenziertheit und Ausdrucksstärke erreichte.
In das Lob eingeschlossen sind natürlich die Instrumentalisten des Orchesters, unter der Führung von Konzertmeisterin Charlotte Zehnder. Was soll man über Klaus Burkhalter sagen? Man riskiert sich zu wiederholen, wenn man seinen Einsatz, seine Begeisterungsfähigkeit, seien Initiative, seinen Optimismus und seine umsichtige Chorleitung erwähnen will. Deshalb sage ich einfach: Lieber Klaus, bravo und danke! Peter Schläppi