Frauenforum Obersimmental
Meinungsbildung oder Manipulation?
Knapp zehn Personen interessierten sich für das Thema «Medien – Meinungsbildung oder Manipulation?», das vom Frauenforum am vergangenen Donnerstag in Zweisimmen diskutiert wurde. Unter der Leitung unserer SZ-Korrespondentin Kathrin Moilliet trafen sich die Medienschaffenden Hugo Kallen, Redaktionsleiter des Radio Beos und Ruth Oehrli, ehemalige Redaktorin des Berner Oberländers zum Gespräch. Die Frauen wollten wissen, wie sie herausfinden können, ob die Fakten stimmen und ob es Manipulations-Mechanismen gibt. Falls Ja, wie können diese erkannt werden.
Hugo Kallen eröffnete sein Statement mit der Definition des Begriffs Manipulation. Manipulation hat mehrere Bedeutungen: «Manipulation ist ein bewusster und gezielter Einfluss auf Menschen ohne deren Wissen und oft gegen deren Willen». Diese Beeinflussung geschieht vor allem mit Hilfe der Werbung. Für die Medien trifft eher diese Interpretation zu: «Absichtliche Verfälschung von Informationen durch Auswahl, Zusätze oder Auslassungen». Im Radio ist vor allem die Problematik des Aus- oder Weglassens von Informationen entscheidend.
Wertung durch Auswahl
Der erste Berührungspunkt der Medien mit der Manipulation findet bereits bei der Auswahl der Themen statt. So müssen im Juni oft Meldungen übergangen werden, während im Juli eher weniger läuft und die Journalisten froh über jede Meldung sind. Aber auch inhaltlich wird immer eine Auswahl gebracht. So wird eine mehrstündige Veranstaltung im Radio auf einen Beitrag von 90 Sekunden gekürzt oder ein Telefoninterview von vier Minuten in zwei mal 15 Sekunden gesendet. Im Fernsehen ist dies noch viel extremer: Das Team ist oft einen ganzen Tag unterwegs und in der Tagesschau wird dann nur noch ein Kurzbeitrag von 10 Sekunden gesendet.
Hugo Kallen zeigt die «Manipulation von Meldungen» an Hand eines Beispiels. Die Mitteilung des Kantons Bern lautet im Originaltext: «Der Kanton Bern hat seine dezentrale Verwaltung grundlegend reformiert […]. Mit der neuen, bereinigten Organisation spart der Kanton Bern nach heutiger Schätzung jährlich wiederkehrend rund 3,5 Mio. Franken ein…» Das Radio Beo übersetzt nun die Meldung und sendet sie folgendermassen: «Die Reform der dezentralen Verwaltung bringt dem Kanton Bern nicht so viel wie erwartet. Jedes Jahr soll dank der Reform 3,5 Millionen Franken gespart werden. Vor fünf Jahren war jedoch die Rede von 7 Millionen.» Anhand dieses Beispiels, kann nun jeder selber entscheiden, wer der Manipulator ist. Das Radio, oder die Pressestelle des Kantons, die die ursprüngliche Summe erst am Ende ihres Textes bringt, damit die Bürger nicht merken, dass die Reform weniger gebracht hat.
Frau Oehrli hat an sich den Anspruch, als Journalistin immer neutral zu schreiben. Ein Bericht wird aber auch vom Leser interpretiert und so wurde sie schon darauf angesprochen, warum sie im Bericht für ein Projekt Stellung bezogen hätte, dabei vertrat sie persönlich auch die Meinung des Lesers. Frau Oehrli rät daher, mehrere Medien zu konsumieren. Nur so kann die Berichterstattung verglichen und beurteilt werden.
Wertung durch Kommentare
Die Zeitungen werten eine Berichterstattung auch durch Kommentare. Während die Berichte neutral verfasst sind, darf bei einem Kommentar gewertet werden. Kommentare werden vom Leser geschätzt, um die Meinung der Redaktion zu ergründen. Dem Konsumenten wird der Kommentar in einer speziellen Form dargeboten. In den Zeitungen mit einem speziellen Layout, im Radio oder Fernsehen spricht der Autor den Kommentar meistens selbst. Im Radio Beo wird auf Kommentare verzichtet.
Kein Einfluss auf Menschen mit festen Überzeugungen
Für Ruth Oehrli ist das Radio eher ein Transportmedium von Informationen, während Zeitungen auch dazu da sind, eine Meinungsbildung anzuregen. Damit die Meinung eines Journalisten nicht zu gross gewichtet wird, werden brisante Themen im Berner Oberländer immer von mehreren Personen behandelt. Nicht alle lassen sich gleich «manipulieren». Ruth Oehrli zitiert dazu den Medienwissenschaftler Roger Blum: «Medien haben kaum Einfluss auf Menschen mit festen Überzeugungen».
Sich richtig informieren
Es ist also empfehlenswert, mehrere Medien zu lesen, zu hören oder zu sehen, um sich nicht einseitig zu informieren. Bei kontroversen Themen wie dem Spitalstandort oder der Überbauung Hohliebi Lenk, ist es nicht einfach, die Wahrheit heraus zu finden. Gibt es überhaupt eine Wahrheit? Es können Situationen und Gegebenheiten sein, die sich gerade noch gestern geändert haben oder schon bald wandeln werden. Sind die Argumente aber auf beiden Seiten gleich gut (oder schlecht), wird es sehr schwer, sich eine Meinung zu bilden.
Berichterstattung in der SZ
Was können wir aus dieser Diskussion lernen? Eine Berichterstattung ist immer auch eine Auswahl. Sowohl der Schreiber, als auch der Leser bringen einen «Lebens-Rucksack» gefüllt mit Hintergrundwissen mit. Als Folge dessen interpretieren sie ihre persönliche Meinung ungewollt in einen Beitrag hinein und gewichten diese.
In der SIMMENTAL ZEITUNG haben Sie als Leser die Möglichkeit zum Schreibenden zu werden. Schreiben Sie selber einen Bericht: Dieser darf auch Gefühle und Gewichtungen enthalten und muss nicht wie eine «neutrale Agenturmeldung» daher kommen. Solche Berichte machen die SZ lesenswert. Sind Sie mit einem Artikel nicht einverstanden, dürfen Sie Ihre Ansicht gerne in der nächsten Ausgabe als Leserbrief veröffentlichen – so auch zu diesem Bericht! Fabian Kopp