Ein Vierteljahrhundert Universität an der Lenk

Die Sommer Universität kann in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiern. Anlässlich einer kleinen Feier im Kirchgemeindehaus hielten die Gründungsmitglieder Hans Forrer und Liselotte Sommer eine kurze Rückschau. Den Auftakt zur diesjährigen Vortragsreihe im Rahmen der Sommer Universität machte Prof. Dr. med. Jürg Kesselring zum Thema «Körperkult – zwischen Freiheit und Fremdbestimmung».

Prof. Jürg Kesselring machte den Auftakt zur 25. Sommer Universität.

Prof. Jürg Kesselring machte den Auftakt zur 25. Sommer Universität.

1987 besuchte Hans Forrer als 32-Jähriger in Bern die Seniorenuniversität und hatte die Vision, die Universität in die Berge an die Lenk zu bringen. Als Tourismusdirektor wollte er nicht nur den Einheimischen, sondern auch den Gästen etwas bieten. Die Universität Bern stand in der Person von Prof. Fricker sofort hinter der Idee. Dieser rekrutierte in seinem Bekanntenkreis Referenten. Leider folgten anfangs nicht sehr viele Zuhörer dem Angebot, was Prof. Fricker jedoch nicht entmutigte: «Nicht die Quantität der Zuhörer sei entscheidend, sondern deren Qualität», meinte er. Liselotte Sommer erzählte, es sei sogar so weit gekommen, dass sich allfällige Referenten von sich aus meldeten.

Die Umgestaltung des Konzepts führte zu einer höheren Akzeptanz: Jedes Jahr steht nun mindestens ein Thema im Zusammenhang mit unserem Gebiet.

Die Vorträge umfassen ein breit gefächertes Spektrum und führen den Zuhörer oft auf ungewohnte Art an ein Thema heran.

«Meine Welt ist dort, wo ich bin»

Prof. Kesselring befasst sich von Berufes wegen mit dem Verhalten des Menschen und mit dem menschlichen Gehirn – er ist Chefarzt der Klinik für Neurologie in Valens. Aber nicht nur dank dieses Wissens versteht er es, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen; er erklärt charmant, mit Humor und Witz in bildhafter Sprache die komplexen Zusammenhänge. «Unser Kopf bestimmt das Zentrum, meine Welt ist dort, wo ich bin, wir tragen die Verantwortung dafür», sagt er. «Die Einstellung ist entscheidend». Anhand konkreter Beispiele zeigt er auf, wie sich im Laufe der Zeit die Wertvorstellungen verändern: Blasse, rundliche Frauen galten früher als schön; in den Zwanziger Jahren mussten die Frauen einen Knabenkörper und gebräunten Teint haben. Leibesertüchtigung wurde wichtig. Körperliche Kriterien bestimmten den Rassenwahn der Nazis.

Attraktivitätsforschung

Wie wirkt sich körperliche Attraktivität auf die zwischenmenschlichen Beziehungen aus? Welches sind die physiologischen Grundlagen für unser ästhetisches Empfinden?

Heutzutage werden Kurse angeboten, wie ich meine Chancen bei einer Stellenbewerbung steigern kann. Wie muss ich mich anziehen, wie zurechtmachen? Die «Aussendarstellung» kann gesteuert werden. Dem berühmten «ersten Eindruck» kann man sich nicht entziehen. Körpertraining ist wichtig, Fitness kann nicht konsumiert werden, sie muss erarbeitet werden. Immer mehr Menschen meinten, eine Tablette einwerfen genüge, um etwas zu erreichen.

Gehirn strebt nach Lustgewinn

100 Milliarden Nervenzellen sind in unserem Kopf. Diese gehen stets unzählige Verbindungen mit andern ein. Aber nur diejenigen bleiben erhalten, die man braucht. Stetes Gedächtnistraining ist enorm wichtig.

Unser Gehirn sucht Belohnung und will Strafe vermeiden. Die Balance zwischen Emotionen (Angst, Trauer etc.) und Motivation (Liebe, Freude etc.) ist wichtig. «Der Wagenlenker bin ich», betont Prof. Kesselring, «ich habe Verantwortung für mein Verhalten. Wir sind nicht einfach Opfer». Kurz streift er auch die Suchtproblematik, geht anschliessend auf die «Soziophobie» ein. Sehr verbreitet sei die Angst vieler Menschen, vor andern zu reden, erläutert er. «Lachen ist ein sozialer Kitt, aber alle haben Angst, ausgelacht zu werden. Das darf nicht sein». Die Soziophobie kann bis zu Depressionen und Panikattacken führen.

Linke und rechte Hirnhälfte

Unsere beiden Hirnhälften haben verschiedene Funktionen. Links findet u. a. das Verbale, Rationale statt, rechts u. a. das Nicht-Verbale, Intuitive. Beide Hirnhälften sollten im Gleichgewicht sein. Das kann und muss man trainieren. Heute ist die linke Hälfte oft stärker: Wir messen, kategorisieren usw. Das genüge jedoch nicht, das Individuum müsse vom Arzt persönlich angesprochen werden, meint der Professor.

Fazit

«Ich muss den Weg für den Ausgleich selber finden, ich habe die Verantwortung für die Balance. Es kommt auf die Einstellung an», fügt Jürg Kesselring an. «Wir müssen aufeinander zugehen. Wie wir miteinander umgehen, ist das Entscheidende für das Individuum und die Gesellschaft», gibt er seinen Zuhörern mit auf den Weg.

Kathrin Moilliet

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Erstellt:
26.07.2012, 08:29 Uhr
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