Eröffnung Fotoweg «Vor 80 Jahren – Wassernot an der Lenk»

Letzten Samstag lud der Verein Ortsmuseum Lenk interessierte Gäste und Einheimische zur Vernissage des neu eröffneten Fotowegs zum Thema «Wassernot an der Lenk – Überschwemmung vom 4. Juli1930» ein.

Titelblatt der Broschüre zum Fotoweg.

Titelblatt der Broschüre zum Fotoweg.

«Wir möchten eine Begegnungsstätte schaffen, in welcher mit multimedialen Mitteln das Einst und Jetzt unseres Dorfes aufgezeigt werden soll.» Unter diesem Motto eröffnete der Präsident des Vereins Ortsmuseum Lenk, Albert Sommer, die Vernissage des Fotowegs unter freiem Himmel und bei schönstem Wetter. Den Anfang macht der Verein mit einer Fotoausstellung zu einem Ereignis, das sich am nächsten Sonntag zum 80. Mal jährt. Am 4. Juli 1930 gingen über dem Laveygrat und im Gebiet Trüttlisberg gleichzeitig heftige Gewitter nieder. Die Seitenbäche und der Wallbach führten so viel Wasser und Geröll ins Tal, dass die Simme gestaut und dadurch das Dorf überflutet wurde.

Verschiedene Posten zeigen ein Bild der Zerstörung

An 13 Standorten sind Stelen aus Stahl aufgestellt. Anhand von ausgewählten Fotos aus dem Gemeindearchiv und dem dazu passenden Text wird das Jahrhundertereignis dokumentiert.

Der Weg führt vom Tourist Center Richtung Bühlberg und dem inneren Seitenbach entlang hinunter Richtung Simme; von dort aus geht es talauswärts Richtung St.Stephan. Der letzte Fotostand befindet sich kurz vor der Einmündung des äusseren Seitenbachs in die Simme. Wer gerne wandert, kann eine andere Route durch das Oertli-Quartier nehmen und durch ein Wäldchen dorthin gelangen. Wer lieber nur innerhalb des Dorfkerns bleibt, findet die Stelen mit Bildern und Text an zentralen Punkten wie z. B. rings um den Bahnhof oder der Hauptstrasse entlang.

Fotos aus dem Gemeindearchiv

Albert Sommer und seine Helferinnen und Helfer haben mit grossem Aufwand versucht nachzuzeichnen, wie gewaltig das Ausmass einer erneuten Katastrophe für das Dorf Lenk und seine Bewohner war. Erst 52 Jahre vorher hatte ein Dorfbrand gewütet und sehr viele Häuser – unter ihnen alte Simmentalerhäuser mitsamt der Kirche – zerstört, ein Ereignis, das das Dorfbild veränderte.

Nach dem Feuer nun Wasser und Schutt; der Dorfkern wird zu einem See. Nur wenige Schritte unterhalb der – an einem verschobenen Standort – neu aufgebauten Kirche beginnt das Wasser und überflutet die Häuser, teilweise sogar bis unter die Decke des Erdgeschosses (siehe Foto von der Gaststube im Hotel «Löwen»).

Der Lenkersee erhält Konkurrenz

1916 wurde das Gebiet Mööser zwischen der Lenk und dem Oberried entsumpft. Der als Ausgleichsbecken gebaute Lenkersee wurde touristisch genutzt. Die Lenk entwickelte sich immer mehr zu einem beliebten Kurort; den Gästen musste etwas geboten werden. Ruderboote tummelten sich fortan auf dem kleinen See. Diese werden nun geholt, um Bewohner und Rettungsmannschaften auf dem neu entstandenen «Dorfsee» zu transportieren. Helfer errichten mit Hilfe von aneinandergereihten «Brügiwagen» einen Notsteg. Die Feuerwehren aus den benachbarten Dörfern eilen zu Hilfe. Alle Autos und Motorvelos (damals eher rar) werden aufgeboten, Licht zu spenden, damit die Arbeiten auch in der stockfinsteren Nacht weitergehen können.

Das Militär kommt zu Hilfe

Am nächsten Tag wird ersichtlich, welch riesigen Schaden die Gewitter angerichtet haben. Militär wird angefordert. Sappeure sprengen den Damm, hinter dem sich die Simme aufgestaut und das Dorf überflutet hat. Sie befreien Strasse und Bahn von Schlamm und Geröll – mindestens 100 000 Kubikmeter. Oberhalb des Dorfes fällen sie Bäume, um einen Schutzwall bauen zu können. Dieser soll das Dorf vor weiteren Hangrutschen und Hochwasser schützen. Das Simmenbett wird tiefer gelegt, damit das Wasser im Dorf endlich ganz abfliessen kann – eine mühselige und langwierige Arbeit mit den damaligen Hilfsmitteln.

Eine Lenkerin erinnert sich

Albert Sommer führt die Gruppe von gegen 40 Teilnehmern mit grossem Engagement und Wissen durchs Dorf, erklärt und erzählt: «Das Wasser ist auch in die Eisenwarenhandlung im Gässli eingedrungen. Alles war nass. Die Nägel und Schrauben wurden zwar an der Sonne zum Trocknen ausgebreitet, aber verkaufen konnte man sie nicht mehr. Wer wollte schon Nägel, die rosten?» Da meldet sich die ehemalige Lehrerin Leni Bratschi als Zeitzeugin zu Wort. «U gschtuuche hets vo de Mehlseck, s’isch nid zum Ushalte gsi», erinnert sie sich.

Der Rundgang «Fotoweg» lohnt sich

Der Verein Ortsmuseum Lenk hat eine Broschüre mit Fotos aus dem Gemeindearchiv und dem Originaltext aus der Berichterstattung in der Tageszeitung «Der Bund» vom 7. und 11. Juli 1930 herausgegeben. Ermöglicht wurde dies durch die Unterstützung von Lenk Tourismus, der Geschäftsstelle Lenk der Mobiliar Versicherungen und der Raiffeisen Bank, die zusätzlich den Vernissage-Apéro spendierte. In der Broschüre findet man einen Plan mit den Fotostandorten sowie am Schluss einen Wettbewerbstalon. Letzter Abgabetermin ist der 31. Oktober 2010. Erhältlich ist die Broschüre im Tourist Center, in den Hotels und in der Raiffeisenbank Lenk.

Unterstützung des Vereins Ortsmuseum Lenk

Der Verein will kein «Museum» im üblichen Stil einrichten, wo der Besucher meistens nur einmal hingeht, sondern einen Ort schaffen, wo periodisch immer wieder «etwas» läuft, etwas Sehenswertes «erlebt» werden kann. Das bedeutet enormes Engagement seitens des Vorstands und der Ausstellungsmacher, es braucht vor allem aber grosse finanzielle Mittel. Der Lenker Bevölkerung, Einheimischen und Gästen, sollte daran gelegen sein, das Projekt «Ortsmuseum» nicht zuletzt auch mit einer Mitgliedschaft im Verein zu unterstützen. Die Geschichte der Lenk und ihrer Umgebung ist spannend. Sich mit ihr auseinanderzusetzen, lohnt sich auf jeden Fall.Kathrin Moilliet

Albert Sommer zeigt den damaligen Wasserstand an.

Albert Sommer zeigt den damaligen Wasserstand an.

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Erstellt:
01.07.2010, 08:10 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 36sec
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