Interview mit der Berner Mundart Rockerin Natacha

Natacha, die Berner Mundart Rocksängerin, sang das Eröffnungslied bei den Special Olympics und rockte am Ende der Feier zusammen mit den begeisterten Athletinnen und Athleten die Bühne.

Natacha besten Dank, dass du dich bereit erklärt hast, für die Special Olympics ein Interview zu geben. Ich freue mich persönlich mit einer langjährig arrivierten Künstlerin über ihren Beruf zu sprechen.

Natacha, du hast gestern Abend an der Eröffnungsfeier der Special Olympics ein Konzert gegeben, das keiner der Anwesenden je wieder vergessen wird. Was hat dich eigentlich mit den Special Olympics zusammen geführt?

Vor rund vier Jahren hat mich eine leicht behinderte junge Frau angesprochen, ob ich bei einer «Miss-Handicap-Show» mitmachen würde. Ich habe damals spontan zugesagt und habe bei der Organisation und bei der Durchführung aktiv mitgemacht. Für die erste Show mussten wir alle Hebel in Bewegung setzen, damit wir genügend Künstler, Politiker und Zuschauer zusammen brachten, damit die Show auch akzeptiert wird. Weder das Radio noch das Fernsehen haben uns dabei geholfen. Dennoch wurde die erste Miss-Handicap-Show ein Erfolg. Bei der Vorbereitung habe ich dann gelernt, mit den Behinderten umzugehen und habe sie auch schätzen gelernt. Diese Menschen sind so offen für alles, sind freundlich und fröhlich rund um die Musik, das hat mich eigentlich angemacht, diese Schiene weiter zu verfolgen. Nach der zweiten gelungenen Show habe ich die Organisation weiter gegeben. Heute ist die Miss-Handicap-Show etabliert, sogar die Medien machen mit. Bruno Barth hat mich danach einmal angesprochen, ob ich bei den Special Olympics mitmachen würde. Die Sache hat mich interessiert und habe zugesagt. Ich möchte einen Song für die Schweiz schreiben, möchte mit meinem Namen in der Organisation und bei der Durchführung der Special Olympics ein Zeichen setzen. Mit der Zusage habe ich mein Umfeld, darunter bekannte Musiker, Künstler und Politiker mobil gemacht und habe selber aktiv mitgemacht. Der Umgang mit den Behinderten Leuten macht mir wirklich Spass, sie können in der Musik aufgehen, intensiv miterleben aber sie brauchen auch Unterstützung, wollen ernst genommen werden. Das törnt mich immer wieder an, bei der Sache zu bleiben.

Du machst viel für die Musik – deine Musik. Hast du noch Zeit für dich?

Oh ja, die Zeit nehme ich mir. Die Familienrolle, auch die Mutterrolle habe ich aktiv durchleben dürfen. Meine beiden Söhne sind inzwischen erwachsen geworden und kommen mit ihren Freundinnen nach Hause und irgendwann in der nahen Zukunft werde ich mich mit der Grossmutter Rolle befassen müssen. Heute kann ich mich wieder voll der Musik zuwenden. Heute entspanne ich mich beim Nähen. Schon als Kind habe ich mich mit der Näherei befasst, habe vor kurzem eine «ober geile» Nähmaschine bekommen, auf der ich alle Tricks und Künste auf dem Stoff ausleben kann. Ich kann mich stundenlang in Stoffläden beschäftigen, in den Tüchern wühlen, Knöpfe aussuchen und mir meine Gedanken machen, was daraus werden wird. Ich war in Istanbul, ein Paradies für Stoffe, Wolle, Garne und Teppiche. Man hat mich manches Mal kaum zurück uns Hotel gebracht. Das ist für mich echte Entspannung, aber auch kreatives voraus denken.

Ganz mich selber kann ich dann sein, wenn ich mit meinem Laptop auf der Wiese sitze und nebenan mein 26 Jahre altes Pferd Fiury, das mich eine lange Zeit in meinem Leben begleitet hat, sehe. Da er inzwischen ein nobler alter Herr geworden ist, reite ich ihn nicht mehr selber, das tun heute leichte junge Leute, damit er zu seiner Bewegung kommt. Ich pflege ihn, besorge den Stall und die Umgebung und geniesse es, wenn ich Arbeiten verrichten kann, die ich nicht wochenlang im Voraus planen muss. Dieser Tierbezug, die Natur und die frische Luft geben mir einen Ausgleich, eine Entspannung in meinem Leben.

Entspannen kann ich mich auch gut wenn ich auf Reisen bin. Ich bereise gerne fremde Länder und ich plane mit meinem «Schätzi» zusammen Vietnam zu bereisen. Dass ich mir gerne Filme ansehe und ins Kino gehe, ist wohl kein Geheimnis. Das lenkt mich vollständig von meiner Umwelt ab, das entspannt.

Entstehen dort deine neuen Lieder?

Ja, auch, aber nicht nur. Sicher komme ich mit der Entspannung auf neue Ideen, aber ein neues Projekt in meiner Musik braucht seine Zeit, auch Arbeit und Durchsetzungsvermögen. Wenn man sich in «seiner» Zeit richtig entspannen kann, hat man die Kraft, Neues zu gestalten. Man kann den Kopf frei bekommen und ist bereit für die nächste Herausforderung, die man dann auch viel spontaner angehen kann.

Machst du Musik für dich oder für dein Publikum?

Ursprünglich ganz klar für mich. Schon in der dritten Klasse habe ich mit einem Wörterbuch versucht Texte aus dem Englischen zu übersetzen, obwohl ich noch kein Englisch konnte. Ich habe mir dann in meiner frühen Jugend eine Band gewünscht. Aus der wurde nur mittelbar etwas, wenn ich an meine Mitmusiker auf der Bühne denke. Mit meinem Team habe ich mir ein optimales Umfeld für meine Konzerte geschaffen, das mich wo immer möglich begleitet. Berühmt werden wollte ich eigentlich nie, das habe ich mir nicht eine Sekunde vorgestellt, ich wollte Musik machen. Ich verspürte einen Drang in mir, Texte zu schreiben und sie dann selber zu interpretieren. Die meisten meiner Texte und Noten zu meinen Songs habe ich selber geschrieben. Das macht mir am meisten Freude.

Wo siehst du dich in der Mundart Rockszene?

Lange Jahre war ich ein grosser Fan von Polo Hofer. In der «Berner Zeitung» hat man mich einmal die Madonna aus dem Emmental und weiblicher Polo Hofer genannt. Ich verehre beide, aber ich bin Natacha und kann und will weder Madonna noch Polo Hofer sein. Als erste Sängerin mit kleinen Kindern habe ich dann mit meiner Musik und mit der Interpretation meiner Musik Karriere gemacht. Für die Familie und vor allem für mich als Mutter war das eine recht harte Zeit, heute sind solche Zustände eher alltäglich geworden. Man sah mich in der Blues Szene, dabei habe ich nie Blues gesungen. Mir gefiel die Musik von Michael Jackson, der Hip Hop. Die Mundart Lieder kamen mit Polo Hofer eben aus der Blues Szene, dann kam ich mit roten Lippen und Chanel Puder auf dem Gesicht und zeichnete mein eigenes ich auf der Bühne mit meiner eigene Musik, ich machte Pop. Damit hatte ich dann auch Erfolg. Vielleicht wegen meiner Mutterrolle habe ich nie geraucht, nie gekifft, keine Drogen genommen und den Alkohol nie missbraucht, das ist gut so. Ich war die erste Mundart Sängerin, die über Liebe gesungen hat und nicht zu Unrecht hat man mich schon die «First Lady vom Mundart Rock» genannt.

Wo liegt deine nahe Zukunft in der Musik?

Meine Songs gebe ich in einen Pool und bin stolz, wenn andere Künstler meine Songs interpretieren. Jonny Holliday hat seiner Zeit meinen Song «We du geisch» im «Si tu Part» übernommen. Eigentlich möchte ich in Zukunft mehr international arbeiten können. Ich würde auch gerne mit einem grossen Orchester zusammenarbeiten. Für Frankreich wollte ich schon immer ein Album vorbereiten. Das Album habe ich jetzt selber vorproduziert und habe einen internationalen Produzenten und Verleger gefunden.

Für die Frauenweltmeisterschaft im Tennis wurde mein Song «Sölli oder sölli nid» auf Englisch als Leitmusik übernommen.

Mein neustes Album heisst «Glücksbringer» von Universal und wird demnächst auf dem Markt erscheinen. Die «Glücksbringer»-Tour wird im September 2012 in der Westschweiz beginnen und dauert bis in den Frühling 2013.

Eine Tournee in Frankreich ist in Planung und soll bald realisiert werden können. Darauf freue ich mich ganz speziell.

Ich danke dir Natacha für dein offenes Gespräch und wünsche dir für dein neues Album «Glücksbringer» und für die vorgesehenen Tourneen Hals und Beinbruch.

Walter Zeller

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Erstellt:
10.04.2012, 11:55 Uhr
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