Sommeruniversität Lenk

«Wie verändert der Tourismus die Landschaft?»

Im Rahmen der 23.Sommeruniversität Lenk 2010 eröffnete Prof. Dr. phil. Klaus Ewald die Vortragsreihe mit dem Thema «Wie verändert der Tourismus die Landschaft?». Das unter dem Patronat der Uni Bern stehende Bildungsangebot reicht von medizinischen Themen über Kristalle und Sagen aus den Alpen bis zu Betrachtungen aus der Theologie.

Professor Ewald leitet seinen Vortrag mit der Definition des Begriffs «Tourismus» ein. Knapp formuliert bedeutet er «Überbegriff für Reisebranche, Gastgewerbe». Touristen reisen zum Vergnügen, aber auch geschäftsbedingt (Bsp. Kongresstourismus).

«Landschaft» heisst im Volksmund «Freiraum». Die fachliche Definition ist (verkürzt gesagt) «Ausschnitt aus der Erdoberfläche von beliebiger Grösse». Landschaft steht immer in einem Beziehungsgeflecht (Gestein – Relief – Klima – Mensch – Tierwelt – Pflanzen – Wasserhaushalt – Boden).

Landschaft früher – heute

Anhand von Bildern erfährt man, wie «Landschaft» vor vielen Jahren ausgesehen hat und wie in jüngerer Zeit. Ein alter Stich der Rheinlandschaft bei Sargans zeigt, wie der Rhein Mitte des 19. Jahrhunderts mäandrierte, mehrere Arme hatte, eine Heckenlandschaft vorherrschte. Ackerbau war wegen der vielen Überschwemmungen in der Talebene nicht möglich. Nichts war gerade – gerade Linien existieren in der Natur nicht. Mit der Begradigung des Rheins und dem Bau der Autobahn entstand eine völlig veränderte Landschaft. Ein anderes Beispiel ist Adelboden: 1945 war das Dorf dicht bebaut, es hatte relativ wenige, verstreute Ferienhäuser, der Wald war interessanterweise locker. Heutzutage ist das Bild anders: Man erkennt eine geplante Entwicklung, die zu einer kompakten Besiedlung geführt hat, der Wald ist heute sehr dicht.

Die Anfänge des Tourismus

Im 17./18. Jahrhundert war Reisen nur etwas für Begüterte. Man reiste, um sich zu bilden (Goethe hielt seine Erlebnisse literarisch fest). Reisen war damals sehr beschwerlich – die Alpen galten sogar als gefährlich. Albrecht von Haller brachte die Berge in seinem berühmt gewordenen Gedicht «Die Alpen» 1732 den gebildeten Schichten nahe. Nun galt es als schick, in die Alpen zu reisen. Eine andere Art des Reisens fand auf dem Meer statt: Ab 1840 führte die neu gegründete Firma Cunard Schiffsreisen nach Amerika durch für Auswanderer, die ihr Glück dort suchen wollten oder mussten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen vor allem wohlhabende englische Touristen in die Schweiz. Auf Plakaten sieht man, wie unser Land auf Englisch (Switzerland, Railway) angepriesen wird, daneben sind sämtliche, damals wichtige Wahrzeichen zu sehen: Alpen, See, Tunnel, Schloss Chillon etc. Fehlen durfte auf keinen Fall ein Edelweiss oder ein Enzian. Es herrschte in den Hotels die «Unsitte», jedem Gast ein Sträusschen dieser Blumen aufs Zimmer zu stellen, was nicht zuletzt anfangs des 20. Jahrhundert zur ersten Pflanzenschutzverordnung der Schweiz führte.

Bergbahnen und Hotels verändern die Landschaft

1871 führte die erste Bergbahn der Schweiz auf die Rigi. Für damals war das ein grosser Einschnitt in die Landschaft; demzufolge gross war die Anzahl der Skeptiker. «Ein Sonnenuntergang wurde Teil des Unterhaltungsprogramms», meint Klaus Ewald. In der «Belle Epoque» zwischen 1850 und dem 1. Weltkrieg entstehen viele Hotels, z. T. Monumentalbauten, die sich jedoch oft sehr gut ins Landschaftsbild integrierten. Leider wurden viele solche Bauten abgerissen; in letzter Minute gerettet wurde das Hotel Giessbach am Brienzersee.

Schöne Landschaft – Kapital des Tourismus

Prof. Ewald nennt im weiteren Verlauf des Vortrags viele Zahlen. Der Tourismussektor ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für unser Land, hat aber auch – seiner Ansicht nach – viele negative Seiten. Die Landschaft sei technisiert worden, zitiert er den Berner Professor Jost Krippendorf. Die zunehmenden Freizeitaktivitäten belasteten die Landschaft immer mehr, meint er. Nicht nur mehr Bahnen, mehr Pistenfläche, mehr Verkehr seien die Folge davon, sondern auch eine «Verhäuserung» der Landschaft, um einen weiteren Begriff Jost Krippendorfs zu verwenden. Vor allem der Zweitwohnungsbau belaste die Landschaft stark, ist er der Ansicht und zeigt Bilder von Crans-Montana. Positive Beispiele gäbe es nur wenige – leider nennt er diese nicht.

Bilanz

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Klaus Ewald die touristische Entwicklung der Schweiz eher im negativen Bereich ansiedelt: Es sei zu viel zu schnell gemacht worden, unsere direkte Demokratie könne nicht so effizient sein wie eine indirekte, meint er und nennt einige Beispiele aus Deutschland, wo die Behörden sehr schnell eingreifen könnten. Ein Zuhörer bittet darum, die Anwesenden doch noch mit einem positiven Gedanken nach Hause gehen zu lassen. «Eine gute Nachricht ist, dass die Vogelartenvielfalt an der Lenk zu- und nicht abgenommen hat, wie Dr. Luder herausgefunden hat», dürfen die Anwesenden zur Kenntnis nehmen. Eine Zuhörerin stellt die Frage nach wissenschaftlichen Argumenten betreffend Beschneiung. Klaus Ewald verweist auf sein kürzlich erschienenes Buch «Die ausgewechselte Landschaft». Als Negativkriterium erwähnt er u. a. den Einsatz von Chemikalien. In dieser Hinsicht kann ein Zuhörer, der als Bergbähnler tätig ist, beruhigen: An der Lenk kommen bei der Beschneiung keine Chemikalien zum Einsatz! Nach dem Vortrag wurden die Besucher des Anlasses mit einem Apéro bewirtet. Kathrin Moilliet

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Erstellt:
28.07.2010, 00:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 23sec
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