Boltigen, Zweisimmen und St.Stephan planen ein gemeinsames Oberstufenzentrum in Zweisimmen
Schülerzahlen beeinflussen die Qualität und das Fächerangebot
Vergangene Woche wurde über die Zukunft der Obersimmentaler Schulen in Boltigen und St. Stephan informiert. Seit etwa fünf Jahren sucht eine Projektgruppe nach Lösungen für ein gemeinsames Oberstufenzentrum (OSZ) im Obersimmental.

In Zweisimmen hat es genug Platz. Durch die sinkenden Schülerzahlen können auch die Oberstufen der anderen Gemeinden aufgenommen werden, ohne dass neu gebaut werden muss. Der Schulbetrieb wird dazu neu organisiert. Im «alten Schulhaus» (links) wird neu unter anderem das 10. Schuljahr unterrichtet, die Oberstufe zieht in das heutige Primarschulhaus (Mitte) und die Primarschüler wechseln zu den Kindergärteler ins rechte Gebäude.
Im Gespräch war zuerst eine Lösung für ein Zentrum mit den Oberstufen Boltigen und Zweisimen und ein weiteres für die Schüler von St. Stephan und Lenk. Seit sich die Gemeinde St. Stephan für ein OSZ in Zweisimmen entschieden hat, wurde nur noch mit einem Standort geplant.
Oberstufenzentrum ohne Lenk
Nachdem das OSZ in Lenk gescheitert war, planten die restlichen Gemeinden ohne Lenk. Peter Schläppi, Präsident der Volksschulkommission Lenk betont jedoch: «Der Entscheid, zurzeit nicht mitzumachen, ist kein Entscheid gegen Zweisimmen, sondern für den Standort Lenk. Die nächsten fünf Jahre ist unser Schulbetrieb noch gesichert.»
In Lenk gibt es aktuell vier Klassen, mit einem durchlässigen Schulsystem. Dieses System erlaubt, dass die Schüler je nach Fähigkeiten sowohl Fächer in der Sekundar- als auch in der Realschule besuchen können. So ist es zum Beispiel möglich, dass ein Schüler in der Mathematik auf dem Sekundarniveau unterrichtet wird, in Deutsch aber die Lektionen der Real besucht. Da nun zum Beispiel derDeutschunterricht gleichzeitg stattfindet, verlangt dies von der Schulleitung eine gute Planung der Hauptfächer.
Immer weniger Schüler
Warum braucht es überhaupt ein gemeinsames OSZ, fragen sich einige Eltern? Seit Jahren nehmen die Schülerzahlen kontinuierlich ab. Gab es früher bis zu 150 Geburten im Jahr, waren es 1995 noch etwa 100 und 2008 nur noch 63. Dies führt zu immer kleineren Klassen oder zu Zusammenschlüssen. So kann in St. Stephan ab August 2010 nur noch eine Realklasse (7.–9. Klasse) geführt werden, bisher waren es zwei.
Spezialisten statt Generalisten
Ein weiterer, wenn nicht sogar der Hauptgrund für die Oberstufenzentren liegt in der Ausbildung der Lehrkräfte. Durften Lehrer früher in weit mehr als zehn Fächern unterrichten, erhalten sie heute ihr Patent nur noch in drei Fächern. Die Lehrer müssen sich ausserdem während der Ausbildung zwischen Deutsch und Mathematik entscheiden. Es ist so unmöglich, junge Lehrer zu finden, die eine gemischte Klasse (7.–9.), wie zum Beispiel in Boltigen, unterrichten können/dürfen.
Der Lenker Peter Schläppi: «Der Kanton ist Schuld an der Misere, weil es nur noch Fachlehrer gibt.»
Pro…
Die Veranstaltung in St. Stephan war eine ruhige, sachliche Angelegenheit. Petra Krebs, Volksschulpräsidentin von St. Stephan, Jean Pierre Beuret, Schulkommissionspräsident in Zweisimmen, Susanne Müller, Schulinspektorin und Andreas Jenzer, externer Berater informierten die Zuhörer über das Schaffen der vergangenen Jahre. Kaum jemand im Publikum stellte die Voten in Frage. Die Mehrheit war für ein OSZ in Zweisimmen.
Dass die Sekundarschüler bereits heute schon nach Zweisimmen zur Schule fahren, erleichterte wahrscheinlich auch die Vorstellung einer zentralen Schule. Da die Kosten auf Basis einer Schülerpauschale berechnet werden, ist der Ausgleich zwischen den Gemeinden einfach und fair.
…und Kontra
Tags zuvor, in Boltigen, gab es heftige Diskussionen, ob ein Dorf seine Schule schliessen soll. Peter Josi hat mit einigen Mitgliedern der Schulkommission einen Plan erarbeitet, wie der Schulbetrieb nach einem Nein zum Zusammenschluss weitergeführt werden kann. Josi möchte ein vollständiges Schulangebot in seiner Gemeinde behalten und Arbeitsplätze sichern. «Was einmal weg ist, kommt nicht mehr zurück!» Durch eine eigene Schule könnten auch die Kosten für den Schülertransport gespart werden. Seine Lösung: Zwei altersgemischte Klassen (eine Klasse Sek 7.–9. und eine Klasse Real 7.–9.) mit durchschnittlich 22 Schülern. Eine Dorfschule wirkt sich auch auf das Vereinsleben aus. So war es z. B. Thema, ob denn in Boltigen weiterhin ein eigenes Schülerrennen organisiert werden kann.
Angst der jungen Lehrer
In Zweisimmen haben junge LehrerInnen Angst um ihren Arbeitsplatz. An den Infoveranstaltungen wurde versichert, dass die unbefristet angestellten Lehrkräfte ihre Stelle behalten können, in Zweisimmen wurden aber in den letzten Jahren neue Lehrkräfte nur noch befristet angestellt.
Dezentraler Schulbetrieb
Nach der kontroversen Infoveranstaltung in Boltigen wurde Gemeinderätin Monika D’Incau bereits von besorgten Eltern angefragt, ob sie ein Gesuch stellen dürfen, damit sie ihre Kinder in Zweisimmen unterrichten lassen dürfen. Sie sagt dazu: «In Boltigen möchten die Eltern ein kleines überschaubares Schulhaus. Allerdings wird es schwer, einen Lehrer zu finden, der eine Klasse mit drei Jahrgängen unterrichten will (und kann). Gewisse Lehrer können nicht unbefristet angestellt werden, weil ihnen zum Teil das Patent fehlt. Die Bildung kann nur gewährleistet werden, wenn wir zwei super Lehrkräfte haben. Wenn eine Lehrkraft schlecht ist, liegen ‹3 Stufen lahm›. Dies ist eine sehr riskante Sache, die zu Lasten der Kinder geht, denn wir haben bereits jetzt einen Lehrer zu wenig.» Heute wohnt nur noch ein Klassenlehrer in Boltigen und es müssen schon Lehrer aus Thun unsere Schüler unterrichten.
«In Lenk wohnen die Lehrkräfte noch im Dorf,» meint Peter Schläppi, «so ist der Unterricht gesichert. Bei einem Wegzug oder Ausfall eines Lehrers hat die Schule aber ein Problem. Uns ist bewusst, dass wir nicht mit einer ‹Hauruckübung nach Zweisimmen ziehen können›, dann braucht es eine Übergangslösung.»
Bildungsangebot des Oberstufenzentrums
Zum OSZ in Zweisimmen erläuterte Jean Pierre Beuret: «Wir haben verschiedene Raumkonzepte entwickelt. Mit einem entsprechenden Raumkonzept wäre es sogar möglich, dass alle Schulen des Obersimmentals (auch Lenk) Platz gefunden hätten. Es war ein Grundsatz der Projektgruppe, keine zusätzlichen Schulgebäude bauen zu müssen.» Dazu müssen die Klassen jedoch komplett neu in den drei Häusern aufgeteilt werden. Das OSZ in Zweisimmen soll den durchlässigen Schulbetrieb sichern. In neun Klassen sollen die Schüler unterrichtet werden. Dies wären je drei Klassen vom 7. bis zum 9. Schuljahr, mit insgesamt etwa 180 Schülern. Durch die höheren Schülerzahlen können Schwankungen der Schülerzahlen einfacher ausgeglichen werden. Aber auch ein Ausfall einer Lehrkraft ist damit einfacher zu kompensieren. Die Förderung der individuellen Fähigkeiten wird gross geschrieben: So sollen MSV (Mittelschulvorbereitung) und ILF (individuelle Lernförderung) für bessere und schlechtere Schüler angeboten werden. Der Mittagstisch – wie ihn die Gemeinde Boltigen bereits seit längerem kennt – würde im Gemeindesaal Zweisimmen serviert. Auch in den Freifächern könnte das Angebot erhöht werden.
Kosten
Da in Zweisimmen nicht neu gebaut werden muss, werden nur in der Übergangsphase höhere Kosten anfallen (da für die bestehenden Schulhäuser erst noch ein neuer Zweck gefunden werden muss). Längerfristig wird es zu einer Entlastung der Infrastrukturen kommen, sofern die Vertragsgemeinden ihre Schulhäuser anderen Verwendungen zuführen können. Dafür haben die Gemeinden die Transportkosten zu tragen. Der Kanton unterstützt diese jedoch mit einem Beitrag von 30 bis 40 Prozent. Die Beiträge an den Mittagstisch werden in den Gemeinden individuell geregelt. Jean Pierre Beuret: «Mittel- und längerfristig ist das OSZ sicher ‹nicht teurer›, bietet aber ein viel grösseres und qualitativ besseres Angebot für unsere Schüler.»
Abstimmung im Herbst
Letzte Woche haben die Projektleiter ihre Vorstellung über ein zukünftiges OSZ der Bevölkerung vorgestellt. Anfang September soll an einer weiteren Infoveranstaltung über die Finanzierung und die genauen Pläne der Umsetzung orientiert werden. Danach wird in den drei Gemeinden abgestimmt.
Wichtig ist nun, dass die verschiedenen Parteien miteinander reden; es sollte erlaubt sein, Fragen zu stellen! Die Gemeinden müssen auch weiterhin offen und aktiv orientieren, damit keine Ängste in der Bevölkerung aufkommen. Denn einig sind sich alle: Die Zukunft unserer Kinder ist wichtig und diese sollten die bestmögliche Schulbildung erhalten. Fabian Kopp