2. Zweisimmen Kulturnacht
«Der Kastlan kommt… Landvolk, erhebet euch!»
Die 2. Kulturnacht war auch dieses Jahr eine Erfolgsnacht. Das vielfältige Angebot lockte ein grosses Publikum ins Dorf Zweisimmen und Umgebung und reichte von kulinarischen Genüssen über Kunst, Theater, Tanz, Literatur, Musik bis zu Geschichten aus ferner Zeit.

Die Landfrauen kochen nach alter Väter Sitte.
Ein Highlight war sicher der Besuch im Schloss Blankenburg: Oben auf der Schlosstreppe wurden die Leute begrüsst von einem Herold in malerischer Uniform, der dann auch im Zimmer, das den Ansturm der Zuhörer kaum aufnehmen konnte, den Auftritt des Kastlans ankündigte: «Der Kastlan kommt… Landvolk, erhebet euch!» – was das gemeine Volk auch gehorsamst befolgte. Und da war er, der Kastlan und somit Vertreter der bernischen Obrigkeit Karl von Steiger. Imposant in seinem langen schwarzen Kleid mit weissem Jabot, den grauen Locken der Perücke, die unter dem prächtigen Hut aus schwarzem Samt hervorquollen, berichtete er in Patrizierberndeutsch vom Geschehen in der obersimmentalischen Landschaft in alter Zeit. Da hörte man manch lustige Geschichte aus der Gerichtsbarkeit, die Robert Wampfler als Kastlan meisterlich in Mimik und Gestik zum Besten gab, erfuhr so einiges über das Schloss. Neben vielen Stuben gab es auch «ein grosses Grümpelgemach, zwei Gefangenschaften und ein Keller zum Garten-Eingemacht-Zeug».
Tagesschau der andern Art
Wie bereits ein Jahr zuvor konnte die Zweisimmer Bevölkerung bei einem Diavortrag von Hans Rufener ihr Dorf in früheren Zeiten anschauen (wie schade, dass so manche architektonische Perle abgerissen wurde). Später, auf dem Weg zu einem Event der heutigen Zeit, musste man einfach am Stand der Landfrauen stehen bleiben, nicht nur, um sich am Feuer mit dem grossen Kupferkessel etwas aufzuwärmen, sondern weil man den gluschtigen Backwaren einfach nicht widerstehen konnte.
Für den Besuch im TV-Studio war es noch zu früh; also schnell hineingeschaut bei Pfanders, wo Myrtha Haldi in ihrem schönen hiesigen Dialekt aus Walter Eschlers Buch «Alpsummer… Gschichte us em obere Simetal» vorlas. Handfester waren dagegen die Figuren, die H. Knöri mit der Motorsäge aus Holz schnitt.
Welch ein Gegensatz stellten die drei jungen Damen Nicole Matti, Lisa Kurt und Zita Zoll im TV Studio 1 dar: Perfekt gestylt bis ins letzte Detail moderierten sie eine Tagesschau nach «Zweisimmer Art», selbstverständlich assistiert von zwei jungen Kameramännern. 10 vor 2simmen nahm Moderatorinnen, TV-Shows und Werbung auf die Schippe, ironisierten aktuelles Geschehen aus dem Dorf und spielten die Figuren auch gleich selber. Aber auch eine Umfrage fehlte nicht – die Zweisimmer scheinen nicht alle politisch auf der Höhe zu sein… Doch viel gelacht hatten die Zuschauer; ob das beim offiziellen Fernsehen auch der Fall ist?! Kompliment an die jungen Leute, da steckte viel Arbeit und Kreativität drin.
Die Qual der Wahl
Was jetzt? Die Entscheidung fiel schwer, so reich ist das Angebot. Architektur, Scherenschnitte, Orgel, Jazz war letztes Jahr auf unserem Fahrplan. Die Theatergruppe «Szenewächsel», der Videokrimi, die Bilder im Art Bistro, eine Treichlerkostprobe, Volkstänze etc. – alles verlockend, aber nicht alles zu machen. Also in die Kirche zu den Schwyzerörgeli. Der Workshop der «Schwyzerörgeli-Grossformation Simmental-Saanenland» demonstrierte, wie ein neu zu erlernendes Stück einstudiert wird. Das Schwyzerörgeli ist ein anspruchvolles Instrument, weil es diatonisch ist, das heisst der gleich gedrückte Knopf erzeugt beim Ziehen einen andern Ton als beim Stossen. Der musikalische Leiter Urs Ueltschi erklärte, dass kaum Noten existieren und deshalb die Musiker nach Gehör lernen, Teil für Teil einer Melodie. Auch werde nicht abgemacht, wer genau was spiele, das wechsle immer. Ganz wichtig sei, den andern zuzuhören, vor allem der Bassgeige, die das Tempo vorgibt. Bei Unsicherheiten könne man sich an ihr orientieren. Und so swingte es dann in der Kirche, foxtrottete, marschierte, je nach gespieltem Stück. Um aber auch zu zeigen, wie knorzig sich zu Beginn eines neuen Stücks die Musik anhören kann, habe der Chef die Anweisung gegeben, etwas «gschtabig» zu spielen, sagte ein Mitglied der Gruppe. Es daure jeweils Monate, bis die Feinarbeit geleistet sei und man auftreten könne. Höhepunkt für die Musikformation war sicher die Konzertreise in die USA – eine Schwyzerörgeli-Jam-Session als Werbeträger für das Simmental/Saanenland? Wer weiss.
Die Kulturnacht scheint sich als Institution zu etablieren. Ein grosser Dank gebührt auch all den vielen Helfern und Organisatoren «hinter der Bühne». Kathrin Moilliet

Gebannt betrachten die Zuschauer die Dias von Hans Rufener.

Das Landvolk wird vom Herold auf der Schlosstreppe empfangen.

Die Tierfiguren von H.Knöri.

Im Studio von 10 vor 2simmen.

Die TV-Moderatorinnen Nicole Matti, Lisa Kurt und Zita Zoll.

Der Kastlan unterhält im Schloss Blankenburg sein Landvolk.

Im Schwyzerörgeli-Workshop erfährt man viel über das Einstudieren eines Stücks.