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Jürg Wisbach spielte das Einpersonenstück «Judas» in der reformierten Kirche

Wie wäre die Geschichte des christlichen Abendlandes ohne Judas?

Judas ist einer der bekanntesten Gestalten aus der Bibel und hat eine Schlüsselfunktion, die unterschiedlich ausgelegt wird. Hat er Jesus absichtlich, aus politischen oder sogar persönlichen Gründen verraten oder ihn «übergeben», um Gottes Plan, den Jesus selbst vorher beim letzten Abendmahl angekündigt hatte, zu erfüllen? Am letzten Samstag, 23. März, nahm Schauspieler Jürg Wisbach als Judas das Publikum in der reformierten Kirche in Zweisimmen mit in seine Gedankenspiele. Eingeladen hatten die reformierten Kirchgemeinden Zweisimmen und St. Stephan.

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Wie wäre die Geschichte des christlichen Abendlandes ohne Judas?

© Kerstin Kopp

Was wäre aus Jesus geworden, wenn ich ihn in Gethsame nicht verraten hätte und bei ihm geblieben wäre? Jürg Wisbach gab Denkanstösse zu den Fragen rund um Judas.

Nach einem Schrei der Verzweiflung, sich von der Schlinge um seinen Hals befreiend und angsterfüllten Blick in Richtung Publikum stand Jürg Wisbach als Judas da, nach Erklärungen suchend, rückblickend auf seine Vergangenheit und Taten, ganz nah vor dem Publikum. Er suchte die Nähe und sprach das Publikum direkt an: «Ist hier jemand, der mich nicht kennt? Ja, ihr meint, mich zu kennen.» «Ihr kennt die Tatsachen, aber nicht das, was nicht bekannt ist.» «Seit mehr als 2000 Jahren versuchen die Menschen, mich zu begreifen.»

Interaktionen schafften Nähe: Judas ist unter uns

Immer wieder nahm Jürg Wisbach als Judas intensiven Blickkontakt mit dem Publikum auf und schaffte Interaktionen. So holte er drei Personen aus dem Publikum, um den Abschied von seinen drei Geschwistern zu verdeutlichen. Das Publikum geriet aus der reinen Beobachterrolle heraus, das Theaterstück verlor die Distanz, die sonst zwischen Bühne und Publikum steht. Die Nähe und der persönliche Kontakt brachten Judas in die Gegenwart. Das Publikum wurde immer mehr in seine Überlegungen verstrickt. Es wurde immer deutlicher: Wir alle könnten Judas sein.

Nicht der Glaube, sondern der Zweifel bringt zum Handeln

Immer wieder ist der Gegensatz von Glaube und Zweifel Thema bei Judas. «Wer glaubt, möchte nichts ändern, wer zweifelt, will den Zweifel loswerden.» Ging sein Glaube so weit, dass Judas, das, was Jesus beim letzten Abendmahl verkündete («Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich ausliefern.»), ausführte. Oder war es der Zweifel, zu erkennen, dass Jesus seine Herrschaft nicht politisch nutzen und gegen die Römer angehen würde. Judas wollte gegen die Römer kämpfen. Dann Judas Reue und Hilflosigkeit, als er sah, dass Jesus am Kreuz ein Mensch aus Fleisch und Blut war. Das Entsetzen, über so viel Wut, Verzweiflung und Angst, die in der Menge der Menschen waren. Und es gab kein Zurück mehr. Die Reue aber blieb.

Das letzte Abendmahl

Judas hatte im Theaterstück viel über sich zu erzählen. So auch die Geschichte vom Bild «Das letzte Abendmahl». Leonardo da Vinci ist mit diesem Bild ein grossartiges Meisterwerk gelungen. Er stellte den Moment dar, als Jesus bekannt gibt, dass einer von den Jüngern ihn verraten würde. Zur damaligen Zeit war es üblich, die Köpfe von Zeitgenossen in sakrale Bildern einzufügen. Da Vinci aber ging durch die Strassen von Mailand, beobachtete eifrig Gesichter, Verhaltensweisen, Kleidung und Körperbewegungen. Er suchte die Gesichter für sein Abendmahl. Nur Jesus und Judas fehlten lange. In einem jungen Mann fand er später das Gesicht für Jesus.

Mit den Worten des Mannes, der für das Gesicht Judas Modell stand, verliess Jürg Wisbach die Kirche am Schluss durch den Mittelgang: «Du erinnerst dich nicht mehr an mich, schon vor vielen Jahren hast du mich gemalt, ich bin die Gestalt in der Mitte.»

Wie wäre die einfluss- und folgenreichste Geschichte des christlichen Abendlandes weitergegangen, wenn Judas Jesus nicht verraten hätte? Ist durch seinen Verrat erst die Erlösungsgeschichte ermöglicht worden?

Das Gesehene und Gehörte konnte danach bei einem vom Kirchgemeinderat St. Stephan und Zweisimmen vorbereiteten Apéro vertieft werden. Schauspieler Jürg Wisbach war ebenfalls anwesend und es ergaben sich interessante Gespräche.

Wie wäre die Geschichte des christlichen Abendlandes ohne Judas?

© Kerstin Kopp

Jürg Wisbach holte drei Zuschauende aus dem Publikum um vorzuführen, wie sich Judas von seinen Geschwistern verabschiedet hat.

Erstellt am: 28.03.2024

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