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Bad Weissenburg

Die Ruinen sind saniert – Geschichte wird lebendig

Die Sanierungsarbeiten an den Ruinen des Hinteren Bades und der Kapelle Weissenburg sind am Wochenende mit einer Einweihungsfeier abgeschlossen worden. Ansprachen von Hansruedi Aegerter, Dr. Volker Herrmann und Dr. Armand Baeriswyl veranschaulichten die längst vergangenen, glanzvollen Tage des einstigen Grandhotels mit internationalem Renommee.

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Sanierung Weissenburg Bad

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© ksm-fotografie

Der sanierte Musikpavillon, wie er sich in seinem Baujahr 1899 präsentiert haben soll.

© ksm-fotografie

In den sanierten Mauerresten des Küchentraktes im Vorderen Bad wurde das Mittagessen für die Gäste zubereitet.

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Dr. Volker Herrmann (ADB) und Vereinspräsident Hansruedi Aegerter erläuterten die Sanierungsarbeiten vor einer sanierten Mauer des Hinteren Bades in Weissenburg.

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Dr. Armand Baeriswyl erklärte in seiner Festrede, was es mit «Kuraufenthalt» vor 200 Jahren auf sich hatte.

Aus der Luft sieht man die Ausmasse der sanierten Ruine sehr gut. Das Bild zeigt den Grundriss des Hinteren Bades nach der Sanierung im August 2015. (Das Foto stammt von Carlos Pinto, ADB, es wurde mit einer Drohne aufgenommen.)

Ab 1850 bis zum Ersten Weltkrieg wurden das Hintere und das Vordere Hotel Bad Weissenburg parallel geführt. Beide zusammen generierten mit insgesamt 350 Betten saisonal rund 30’000 Übernachtungen. Damit schafften sie damals mehr als das Grandhotel Jungfrau Victoria in Interlaken heute. Das Hotel Bad Weissenburg war ein Kurhotel der Extraklasse mit internationalem Ruf und lockte Kurgäste aus den obersten Schichten des europäischen Adels nach Weissenburg. Und es bot 150 bis 200 Menschen eine Arbeitsstelle. Das waren genug Gründe für den Verein Bad und Thermalquelle Weissenburg, an ihrer Hauptversammlung im Jahre 2012 zu beschliessen: «Wir sanieren diese Ruinen!»

Gute Zusammenarbeit

Hansruedi Aegerter, Präsident des Vereins Bad und Thermalquelle Weissenburg, umriss in seiner Begrüssungsansprache auf der Ruine des Hinteren Bades die Geschichte von Beginn weg, als anno 1600 die Thermalquelle offiziell entdeckt wurde. Er sprach von den durchzogenen Jahren des ersten Badehauses im 17. Jahrhundert. Erst als Bern 1695 den Auftrag zur Errichtung eines Hotels am Standort des Hinteren Bades erteilte, sei der Betrieb aufgeblüht. Seite 3

Die stetig steigenden Gästezahlenführten schliesslich zum Bau deseigentlichen Grandhotels im VorderenBad. Beide Häuser wurden bis zumErsten Weltkrieg parallel geführt und bildeten die wohl grösste touristische Anlage im Simmental zu jener Zeit. Der Erste Weltkrieg bedeutete dann das Ausdes Hotels am Hinteren Bad. Es wurde1925 abgebrochen und geriet in der Folge in Vergessenheit. «Nun hattedieNatur 90 Jahre Zeit, dieses Areal wieder zurückzugewinnen», sagte Aegerter,«bis man 2011 praktisch nichts mehr vom Hotel am Hinteren Bad ausmachen konnte.» Da war für die Vereinsmitglieder klar: Entweder tue manjetzt Etwas gegen das Vergessen oderman lasse es ein für allemal bleiben! 2012 sprach sich der Verein für eine Sanierung aus. Aegerter erläuterte die Entstehung des Sanierungskonzeptes und wie Geld dafür aufgetrieben wurde.Die Arbeitsgemeinschaft, bestehend ausRösti Bau AG Boltigen, Frutiger AG Thun und der Genossenschaft für ländliches Bauen in Därstetten, hätte die Bauarbeiten übernommen. Sie wurde unterstützt durch ein Team vom Archäologischen Dienst Bern und von Freiwilligen, die rund 500 Arbeitsstunden im Frondienst geleistet hätten. Aegerter lobte die gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und sprach ihnen seinen ehrlich empfundenen Dank aus. Er erwähnte die Hilfe von Innovage Bern-Solothurn, die massgeblich an den Infotafeln beteiligt war, die manauf dem Weg zwischen dem BahnhofWeissenburg und dem Vorderen Bad vorfindet.

Den Grundriss wieder ablesbar machen

Dr. Volker Herrmann, Bereichsleiter Stadt-, Burgen-, Kirchenarchäologie und Bauforschung am Archäologischen Dienst des Kantons Bern (ADB), erinnerte, wie man vor vier Jahren Visionen formuliert hätte: «Wie wäre es, wenn wir das Hintere Bad wieder zum Leben erwecken würden?» Natürlich sei klar gewesen, dass dies nicht wörtlich gemeint war. Aber die Erinnerung an dieses Hotel könne man wieder wachrütteln. Ins Bewusstsein holen, dass seiner Zeit an dieser Stelle eines der ganz grossen Hotels der Schweiz gestanden habe. Eines mit internationalem Renommee und adliger Klientel. Ein Kurhaus mit Thermalwasser, Baderäumen, Zimmern, einer Trinkhalle, einem Restaurant, einer attraktiven Sonnenterrasse (zumindest in den Mittagsstunden) usw. «Natürlich können wir das alles nicht mehr zurück holen, das war auch nie unser Ziel», sagte Herrmann, «aber ein Bisschen von dem, was verschüttet ist, wieder ausgraben, sichern und zurück ins Bewusstsein holen.» Sie wollten den Grundriss des grossen Hotelkomplexes, wie er um 1900 da gestanden hatte, wieder ablesbar machen. «Mehr sollte es nicht sein und mehr ist es auch nicht geworden!»

Nippeln und flanieren

In blumiger und bildreicher Sprache liess Dr. Armand Baeriswyl (ADB), in seiner Festrede seine Zuhörer am Leben der Kur- und Badegäste ab dem 17. Jahrhundert teilhaben. «Stellen Sie sich vor, Sie leben in einer Zeit ohne Badezimmer, ohne Dusche und Warmwasser, ohne Heizung, Boiler oder Strom!», begann er seine Ausführungen. In solchen Zeiten mutete warmes Wasser, das aus einem Felsen sprudelte, mirakulös an. Solche Stätten wurden viele in Europa entdeckt - und alle wurden zu speziellen Kurorten oder Kurbädern. Seit dem späten Mittelalter bildeten diese Orte im Sommer Treffpunkte für die Reichen und Mächtigen. Baeriswyl erklärte, dass früher solche Kuraufenthalte im eigentlichen Sinn «Ferien» waren: Die Anreise im Sommer, man blieb Tage oder Wochen, es war eine spezielle Auszeit vom Alltag und es waren vor allem genussvolle Tage. Baden, gut essen und trinken – nicht nur Wasser, denn Wein galt als ebenso gesund – spazieren und gesellig sein. Das alles gehörte zu einem Kuraufenthalt. Unter gesellig sein verstand man Leseabende, Billardspiele oder Musikkapellen, die einem die Zeit versüssten, auch dann, wenn man stundenlang im Bad sass. Gewellte Haut galt als gutes Zeichen. Unter «Wasser trinken» müsse man sich vorstellen, dass man dazu in der Wandelhalle oder im Kurpark herumspazierte mit einem Glas Wasser in der Hand, welches man langsam in kleinen Schlucken zu sich genommen habe. Nippeln und flanieren, auf alle Seiten lächeln und andere Kurgäste grüssen. Als Beispiel dafür, dass an solchen Kurorten auch wichtige gesellschaftliche Begebenheiten besprochen oder von den Mächtigen eingefädelt wurden, wird im Zusammenhang mit Bad Weissenburg gern folgende Tatsache genannt: 1936 soll hier Königin Wilhelmine der Niederlande die Verlobung ihrer Tochter, Kronprinzessin Juliane, mit dem Deutschen Prinzen Bernhard bekannt gegeben haben.

Gesellschaftlicher Wandel brachte das Aus

Die Gesellschaft und ihre Anforderungen an Ferien wandelten sich. Sonnig mussten sie sein, die Ferienorte. Das Hintere Bad ist noch heute kühl, feucht und schattig. Und auch zu abgelegen. Es entsprach nicht mehr den Anforderungen und wurde 1929 abgerissen. Auch das Vordere Bad fiel dem gesellschaftlichen Wandel zum Opfer. An die Stelle der Kur mit Erholungszweck traten Ferien und Schwimmbäder. Wer in den 1920er Jahre schwimmen wollte, begab sich in Freibäder oder Volksbäder. Kuraufenthalte wurden mehr und mehr nur noch etwas für Krankenkassen-Patienten. Der lustvolle Kur-Charakter ging gänzlich verloren. 1963 weilten die letzten Gäste im Vorderen Bad. Es folgte die endgültige Schliessung. Später brannte das Haus bis auf die Grundmauern nieder, infolge Brandstiftung, wird gemunkelt. Dann kaufte das Militär die Ruinen und 1986 wurde es bis auf die Mauerreste im Küchentrakt abgerissen. So zeugen die neu sanierten Ruinen von einer Zeit, in der Weissenburg eine Tourismus-Hochburg war, noch bevor der moderne Tourismus erfunden wurde. Mit dieser Sanierung sei eine grosse Vergangenheit wieder sichtbar gemacht worden, sagte Baeriswyl. Der Tourismus habe im Berner Oberland Wurzeln, die viel älter seien, als man denke und er bestünde nicht nur aus Skifahren, schloss Baeriswyl seine Ausführungen. Aus welchen Gründen auch immer es stetig weniger Schnee gäbe in den Bergen, darüber lasse sich streiten. Aber man müsse sich bewusst sein, dass es im Tourismus – auch im Berner Oberland – andere Möglichkeiten gäbe, die vielleicht sogar nachhaltiger seien, als mit Skiern einen Hügel runter zu fahren. Das Grandhotel Bad Weissenburg wurde schon damals mit Produkten aus der Region beliefert. Und am vergangenen Wochenende konnte man – fast wie eh und je – am 5. Morgeten Alpkäse-Markt Produkte aus der Region erwerben.

Erstellt am: 08.10.2015

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