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Medienmitteilung Gemeinderat Gsteig

Versorgungsmodell ist mit den geplanten Geldern nicht überlebensfähig

Der Expertenbericht der Überprüfung des Businessplans zum Integrierten Versorgungsmodell «Gesundheitsnetz Simme Saane» liegt vor und ist auf der Homepage der Gemeinde Gsteig aufgeschaltet.

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Wie im offenen Brief vom 27. September 2023 an die Gesundheit Simme Saane AG (GSS) erklärt, hat der Gemeinderat von Gsteig den Anspruch und versteht es als seine Pflicht, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern alle Informationen für ihren Entscheid für oder gegen das Projekt des von der GSS ausgearbeiteten integrierten Versorgungsmodells «Gesundheitsnetz Simme Saane» zu beschaffen. Er hat deshalb die auf professionelle Beratung im Gesundheitswesen spezialisierte Unternehmung Muller Healthcare Consulting aus Zürich mit der Überprüfung des Businessplans beauftragt.

Keine umfassende Information durch die GSS AG

Dem Projektteam standen lediglich die Abstimmungsunterlagen zum Businessplan der GSS zur Verfügung, die zwar eine konsolidierte Übersicht der zu erwartenden Umsätze und Kosten bieten, nicht jedoch erlaubten, die einzelnen Parameter und Hypothesen zu hinterfragen.

Die von der GSS angeforderten vollumfänglichen und relevanten Unterlagen für diese unabhängige Überprüfung konnten nicht ausgehändigt werden, weil – so GSS – sich ihr Businessplan auf Informationen stützt, die von Dritten zur Verfügung gestellt wurden und die GSS verpflichtet sei, deren Informationen vertraulich zu behandeln. Ohne deren Zustimmung sei die GSS nicht befugt, Einsicht zu gewähren. Die GSS habe diese Dritten aber schriftlich um deren Zustimmung angefragt. Bis zum Abschluss des Expertenberichts, also länger als ein Monat nach dem offenen Brief, wurden keine weiteren Unterlagen geliefert. In Erwartung dieser Entwicklung wurde deshalb das Angebot der GSS zu einem zweistündigen Treffen angenommen, wo Vertreter der GSS konkrete Fragen des Expertenteams beantworteten.

Berater bauten Businessplan innerhalb von drei Wochen neu auf

Mangels der angeforderten Unterlagen hat die Muller Healthcare Consulting beschlossen, den Businessplan aufgrund historischer Daten, verfügbarer Informationen, Benchmarks sowie ihrer Erfahrungen neu aufzubauen. Dies erlaubte, den von den Experten aus neutraler Sicht erstellten Businessplan mit dem der GSS abzugleichen und allfällige Abweichungen festzustellen und zu interpretieren. Muller Healthcare Consulting mass sich nicht an, einen «besseren» Businessplan zu erstellen; die Verantwortlichen der GSS hätten schliesslich mehrere Jahre an den Zahlen gearbeitet. Die dreiwöchige Projektarbeit des Expertenteams sollte lediglich eine neutrale und kritische Begutachtung des Businessplans der GSS ermöglichen.

Der Gemeinderat verzichtet darauf, in dieser Mitteilung aus dem 66-seitigen Expertenbericht vereinzelte Ergebnisse und erschreckende Abweichungen zum GSS-Projekt als Schlagzeilen zu zitieren. An dieser Stelle beschränken wir uns auf das Fazit.

Spitalpläne sind nicht realistisch

Der Erhalt des Spitals steht zweifelsfrei im Zentrum der Diskussion rund um die Gesundheitsversorgung Obersimmental-Saanenland. Das Bedürfnis des westlichen Berner Oberlands nach einer wohnortnahen medizinischen Grundversorgung ist nachvollziehbar. 2013 entschied der Berner Regierungsrat zwar noch, dass der Spitalstandort Zweisimmen versorgungsnotwendig sei, in seiner Stellungnahme von 2023 erkennt der Regierungsrat jedoch an, dass sich die medizinische Versorgung seit der Festlegung der Distanzkomponente gewandelt habe und bei einem negativen Volksentscheid ein ambulantes Gesundheitszentrum aufgebaut würde.

Der Erhalt des Spitals scheint somit seitens Kantons nicht mehr unabdingbar, Alternativen sind vorstellbar. Nebst einer wohnortnahen Versorgung können auch volkswirtschaftliche Aspekte (Erhalt Arbeitsplätze, Nutzen für zuliefernde Betriebe der Region) den Erhalt des Spitals Zweisimmen durchaus motivieren.

In Zeiten starken Wachstums von Gesundheitskosten stellt sich die Frage, mit welchem Preisschild ein solcher Erhalt einhergeht. Dass das Spital Zweisimmen nicht wirtschaftlich zu betreiben ist, erkennen auch die Autoren des Businessplans der GSS an.

Der vorliegende Bericht zeigt jedoch auf, dass diese Kosten einiges höher auszufallen drohen, als in den Abstimmungsunterlagen auf ersten Blick ersichtlich war. Insbesondere die notwendigen Investitionen werden um einiges höher ausfallen als ursprünglich angedacht. Der Neubau eines Spitals mit der für das vorgesehene Leistungsangebot erforderlichen Infrastruktur ist für die vorgesehene Investitionssumme schlicht und einfach nicht realisierbar.

Positiv zu bewerten ist der Ansatz eines Modells der integrierten Versorgung, welcher Synergien erzeugen und für verbesserte Patientenpfade sorgen könnte. Das Synergiepotenzial der beteiligten Betriebe erachtet das Expertenteam als signifikant, jedoch würden die Anstrengungen, dieses zu realisieren, erheblich sein und den Nutzen teilweise wieder zunichtemachen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei auch auf das Alterswohnen hinzuweisen, welche aus einem grösseren Betrieb herausgelöst wird und seine Gemeinkosten somit über weniger Leistungen verteilen kann.

Finanzierung macht Versorgungsnetzwerk nicht überlebensfähig

Da das Gesamtgefüge erhebliche Verluste schreiben wird, stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit. Auch hier anerkennen die Autoren des GSS-Businessplans, dass noch erhebliche Finanzierungslücken bestehen. Diese Lücken erkennt der vorliegende Bericht an und gewichtet sie noch höher.

Mit den zur Diskussion stehenden Beiträgen der Gemeinden, der Spital STS AG und des Kantons wird das Modell der integrierten Versorgung nicht dauerhaft finanzierbar und somit nicht überlebensfähig sein.

Die Finanzierung des Gesamtgefüges bedingt zudem mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Immobilien des Alterswohnen belehnt werden müssten, um die Investitionen und Verluste im Spital abdecken zu können. Es besteht demnach das Risiko, dass nicht nur das Spital, sondern weitere Betriebe in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Die Umsetzung von integrierten Versorgungsmodellen ist an sich zu begrüssen und scheint für die Region auf den ersten Blick auch realisierbar. In Zeiten eines akuten Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ist die Fähigkeit eines neuen Anbieters wie der GSS, medizinisches und pflegerisches Fachpersonal in einer zentrumsfernen Region anzuwerben und zu halten, jedoch mindestens zu hinterfragen. Das Expertenteam rät generell stark davon ab, grössere Investitionsentscheidungen im Gesundheitswesen zu tätigen, bevor ein Plan zur Rekrutierung der benötigten Fachkräfte vorliegt.

Fragliche Versorgungsqualität und Personalsorgen

Schliesslich muss die Qualität in die Überlegungen rund um die zukünftige Gesundheitsversorgung in der Region miteinbezogen werden. Diese Frage ist eng an den Fachkräftemangel geknüpft und stellt sich vorwiegend für das Spital Zweisimmen. Selbst wenn entsprechende Fachkräfte zur Verfügung stünden, so ist es, in Anbetracht der zu erwartenden tiefen Fallzahlen fraglich, ob die medizinische Qualität sichergestellt werden kann. Es ist zu erwarten, dass die Bewohner der Region bei komplexeren Operationen wie zum Beispiel dem Einsatz einer Knie- oder Hüftprothese vermehrt grössere Spitäler mit höheren Fallzahlen aufsuchen werden. Das Spital Zweisimmen droht, auf kleinen nicht lukrativen Fällen sitzen zu bleiben, währenddem die lukrativen Fälle in Zentrumsspitäler abwandern, was den betriebswirtschaftlichen Verlust des Spitals weiter erhöhen würde.

In Anbetracht der hohen Kosten, der ungewissen Finanzierbarkeit und Realisierbarkeit sowie Qualitätsaspekten, drängt sich die Frage nach einem «Plan B» auf. Dieser «Plan B» besteht im Aufbau eines ambulanten Gesundheitszentrums. Laut Aussagen der Spital STS AG besteht jedoch kein Konzept für ein ambulantes Gesundheitszentrum. Um den Stimmberechtigten eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage bieten zu können, würde die Muller Healthcare zusätzlich die Beschreibung eines allfälligen «Plan B», welcher sowohl das Leistungsangebot als auch die finanziellen Implikationen aufzeigt, als sinnvoll erachten.

Erstellt am: 10.11.2023

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